Süddeutsche Zeitung

Kulturwerkstatt Haus 10:Künstler-WG

In der aktuellen Ausstellung präsentieren sich die sieben neusten Mitglieder der Brucker Künstlervereinigung. Mit Klebeband haben sie sich eigene "Zimmer" eingerichtet, die zum Entdecken einladen

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Jedes Zimmer einer Wohnung ist nicht nur ein Ort zum Leben, sondern erzählt auch etwas über den Charakter, die Identität, das Leben des Bewohners. Diese Überlegung liegt der Kunst von Bernhard Heller zu Grunde, die die aktuelle Ausstellung im Haus 10 eröffnet. "Eine Wohnung ist immer gewollt oder ungewollt eine Art Selbstporträt des Bewohners", so Heller. In diesem Sinne ist die Ausstellung "Taped" also eine Art Selbstporträt der sieben teilnehmenden Künstler. Was sie verbindet ist, dass sie die "Debütanten", also die neuen Mitglieder der Brucker Künstlervereinigung sind.

So zusammengewürfelt, haben sie sich entschieden, das Haus 10 zu einer Art temporären WG zu machen. Jeder von ihnen hat sich mit schwarzem Klebeband "seinen" Bereich abgeklebt und so dort künstlerisch eingerichtet. Heller zeigt mit zwölf kleinteiligen Werken unter dem Titel "Special offer" und dem Großformat "Best deal" kraftvolle, bunte Szenen mit grobem Pinselstrich. In "Special offer" versucht Heller persönliche Lebenssituationen allgemein erfahrbar zu machen: Fernsehen, mit dem Strohhalm trinken, mit der Tochter über den Hundewunsch sprechen.

Einen starken Kontrast zu Hellers aufgeregten, lauten Gemälden bilden die Ölgemälde von Lena Keller. Mit klassischer Technik und klassischen Motiven sowie Naturszenen geht sie in ihrem Zimmer der Frage nach, wie sich Natürlichkeit und Künstlichkeit in der zeitgenössischen Malerei ausdrücken lassen. Ihre Antwort sind fotorealistische Malereien von Wassermotiven, bei denen der Betrachter seinen eigenen Standpunkt nicht eindeutig definieren kann. Ist er unter der Oberfläche? Darüber? Das bei aller Ruhe und Schönheit Archaische in ihren Bildern lässt den Betrachter zudem spüren, dass nicht er es, der in diesem Momenten die Kontrolle über die Szene hat.

Zum Mitmachen lädt Manuela Friedrich in ihrem Zuhause ein. Ihre Bilder, die sich mit dem beständigen Kampf zwischen Licht und Dunkelheit beschäftigen, dürfen die Besucher selbst zu Künstlern werden. Friedrich stellt eine Auswahl von Motiven zu Verfügung, die dann vom Besucher selbst neu arrangiert, ausgetauscht und zusammengesetzt werden dürfen. Die Ergebnisse können fotografiert und an die Künstlerin geschickt werden.

Wie ein großes Gemälde hat Alicia Henry ihren Raum gestaltet. Boden und Wände sind zu einer Gesamtkonstellation gestrichen. Zwei Gemälde an der Wand greifen die Komposition des Raumes auf. Auf dem Boden verteilt liegen zusammengeknüllte Tape-Kugeln. An einer Wand hat sie mit orangefarbenem Klebeband die Buchstaben der Worte "Vertrauen" und "Trust" bunt gemischt aufgeklebt.

Irmgard Paule zeigt ein wildes Sammelsurium aus alten Dingen, die sie zu neuen, spannenden Objekten gemacht hat, irgendwo zwischen Spielzimmer und Horrorkabinett. Ruhiger geht es bei Claudia Rutter-Tuchler zu, die mit klassischen Drucktechniken florale Motive so auf die Leinwand bannt, das sie fast wie dreidimensional wirken. Mit zwei Lichtbändern und schwarzem Tape an der Wand verwandelt die letzte Teilnehmerin, Flora Sopa, ihren Raum in eine Art Meditationsraum, in dem jeder Besucher seine eigenen Motive finden und entdecken kann. Und so ist tatsächlich eine spannende zusammengewürfelte Künstler-WG entstanden, die man unbedingt besuchen sollte.

Ausstellung "Taped", Kulturwerkstatt Haus 10, Kloster Fürstenfeld, Vernissage am Freitag, 24. Januar, von 19.30 Uhr an. Danach zu sehen bis 9. Februar jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr

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Quelle:
SZ vom 23.01.2020
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