Süddeutsche Zeitung

Kulturtipp:Ortsgeschichte und Heilkraft

Wiedereröffnung des Eichenauer Pfefferminzmuseums

Von Christian Hufnagel, Eichenau

Nein, die mehr als zweimonatige Schließung durch die Corona-Krise habe keine Auswirkungen, sagt Wolfgang Heilmann. Während andere Kultureinrichtungen dieser Art mit finanziellen Folgen zu kämpfen haben, bleibt das Pfefferminzmuseum in Eichenau - das einzige in Deutschland, vermutlich weltweit - davon verschont. Es ist in der ehemaligen Gemeindebibliothek untergebracht, alle Helfer arbeiten ehrenamtlich, so dass auch der Eintritt frei ist. Wenn es also an diesem Sonntag wieder öffnet, hat sich nichts verändert, sind keine Kosten aufgelaufen und hat auch das Mitglied des Fördervereins wenig Vorkehrungen treffen müssen, um dem Infektionsschutz vor dem Virus möglichst gerecht zu werden. Ein Handdesinfektionsmittel werde vorgehalten und der Eingangsbereich sei ein wenig umgestaltet worden, damit es auf der Treppe zu keinem "Begegnungsverkehr" komme, erläutert Heilmann, der als Vorsitzender der einstigen Wählergruppe Unabhängig 1986 das Museum mit gründete.

Zu dieser Zeit drohte nämlich ein prägender Teil Ortsgeschichte des 20. Jahrhunderts in Vergessenheit zu geraten. 1980 hatte der letzte Teebauer aufgegeben. Damit war ein Erwerbszweig verschwunden, der über Jahrzehnte hinweg der wichtigste Wirtschaftsfaktor in der Siedlung im Allinger Moos gewesen war. 1918 hatte es angefangen, als ein Beamter einen Rucksack voller Wurzelausläufer der Mitcham-Minze aus einem Versuchsgarten mitbrachte. Die Heilpflanze gedieh prächtig in seinem Garten auf dem Eichenauer Moorboden. Nachbarn machten es ihm nach. Betrug die Anbaufläche 1921 rund 1500 Quadratmeter, waren es 1939 bereits 400 000. Es gab mehr als 60 Teebauern, zwölf davon im Vollerwerb, wie die Chronik berichtet. Mit der Zunahme des Siedlungsdrucks und der Öffnung des Drogen- und Gewürzmarktes für ausländische Waren 1956 verlor der Ort wieder seine Bedeutung und seine internationale Bekanntheit als Anbaugebiet der hochwertigen pharmazeutischen Pfefferminze.

Das Museum erinnert nun nicht nur mit historischen Fotos, Dokumenten und Gegenständen der Teebauern an diese Zeit. Mit dessen Gründung kam auch der Anbau der Pflanze wieder zurück, natürlich in einem kleinen Maße. Dem Förderverein gehören dazu zwei Äcker, die im jährlichen Wechsel bepflanzt werden. Zweimal im Jahr - Ende Juni und Anfang September - werde geerntet, sagt Heilmann. Zur Ernte wie vor allem der Unkrautbekämpfung bedarf es natürlich vieler Helfer. Knapp 20 seien es, sagt der 74-Jährige. Das Ergebnis aller ehrenamtlichen Mühen ist der "Original Eichenauer Pfefferminztee", der offenbar besonders mundet: "Es gibt eine riesige Fangemeinde, die auf den Tee schwört. Er ist ein begehrtes Weihnachtsgeschenk", sagt Heilmann. Wer das Aroma testen will, kann dies bei jedem Museumsbesuch, immer sonntags zwischen 14 bis 16 Uhr. Jedem Besucher wird gerne eine Tasse Eichenauer Pfefferminztee gereicht.

Pfefferminzmuseum Eichenau, Parkstraße 43, immer sonntags von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2020
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