Süddeutsche Zeitung

Kultur in Pandemie-Zeiten:Bereit für einen neuen Anlauf

2021 soll es für die Eichenauer Filmemacher und -verleiher Martin Schwimmer und Dominik Utz endlich richtig losgehen. Wegen der Pandemie mussten einige Projekte verschoben werden. Ihre Geschichte steht stellvertretend für die vieler Kulturschaffender im vergangenen Jahr

Von Florian J. Haamann, Eichenau

Das Jahr 2020 war für die Eichenauer Filmemacher Dominik Utz und Martin Schwimmer schon im Juni irgendwie gelaufen. Statt mit Bibiana Beglau und Jürgen Vogel ihren ersten großen Kinofilm zu drehen, mussten sie sich mit Anträgen für Corona-Hilfen beschäftigen - und mit der Frage, wie sie die Existenz ihres jungen Unternehmens "Domar" retten. "Die Situation jetzt ist schon scheiße, mal schauen wie es weitergeht", lautete damals Utz' Fazit - das den Zustand der gesamten Kulturbranche sehr treffend zusammengefasst hat. Denn die Geschichte von Domar steht stellvertretend für das Schicksal vieler Künstler und Kulturschaffender im Corona-Jahr. Viel hat sich seit Juni nicht verändert, doch damals wie heute ist die Hoffnung groß, dass es bald wieder besser wird.

Das einzige, was sich Monat für Monat vergrößert hat, ist der Druck, der auf den Kulturschaffenden lastet, die Sorge, vielleicht nie wieder etwas Kreatives schaffen zu können - weil die künstlerische Existenz die Corona-Maßnahmen finanziell nicht überlebt. Auch Schwimmer und Utz standen mehrmals für dem Aus, haben aber Monat für Monat durchgehalten. "Es war ein Kampf, bis Jahresende irgendwie durch zu kommen. Teilweise war es schon so, dass wir gedacht haben, wir schaffen es nicht zu überleben. Aber ich glaube, wir sind einigermaßen über den Berg", berichtet Utz. Dafür haben sie sich auf das besonnen, was sie in den vergangenen Jahren gemacht haben: Werbe- und Imagefilme, kleine Produktionen für öffentliche Einrichtungen, die ein oder andere Doku. "Eigentlich sollte 2020 für uns das Jahr werden, in dem wir die Karriereleiter ein bisschen nach oben klettern. Es ist natürlich schade, da noch einmal eine Schleife zu drehen".

Dennoch sind die beiden zum Jahresbeginn wieder optimistischer. Man spürt, dass sie 2021 zu ihrem Jahr machen werden, wenn es die Umstände zulassen. Die große Kinoproduktion, die für Anfang 2020 geplant war, haben sie um ein Jahr verschoben, aktuell sind sie dabei, das Team zusammen zu stellen. "Wir sind optimistisch, dass wir drehen können. In den letzten Monaten wurde viel an Hygiene-Konzepten gearbeitet". Auch ein zweiter Film, der für Herbst 2020 geplant war, ist bereits für 2021 angesetzt. "Für das neue Jahr sind wir wieder voller Energie und Tatendrang. Wir wollen drehen!", sagt Utz.

Parallel zu den Planungen der eigenen Produktion versuchen Schwimmer und Utz, ihre Filmverleihfirma "Four Guys" voran zu bringen. Angefangen haben sie damit ausgerechnet im Corona-Jahr. Und gleich einen kleinen Erfolg erzielt. Im Juni, als die Kinos nach dem ersten Lockdown Bundesland für Bundesland wieder öffnen durften, haben sie mit "La Palma" den ersten Film auf die Leinwand gebracht. "Wir haben versucht, die Lücke zu nutzen, die großen Verleiher haben sich da zurück gehalten. Für die hat es ja auch kaum Sinn gehabt, die brauchen große, bundesweite Marketingkampagnen. Wir waren da deutlich flexibler. Dadurch hatte unser Film ein gute Aufmerksamkeit und auch einiges an Presse", sagt Schwimmer. Sicher habe es auch einen positiven Effekt gehabt, dass La Palma ein Urlaubsfilm ist. In Zeiten, in denen die Menschen nicht in den Urlaub konnten, sei die Sehnsucht besonders groß gewesen.

Und dann hat der Film auch noch das Interesse von Netflix geweckt, der Streamingdienst hat den Film gekauft. Vom 1. Februar an wird er dort zu sehen sein, auch die DVD kommt in dieser Zeit heraus. Aktuell verhandeln die "Four Guys" über die Rechte an einigen vielversprechenden Nachwuchsfilmen. Wenn alles klappt, könnten Utz und Schwimmer 2021 auch im Verleihbereich einen größeren Schritt nach vorne machen. Natürlich nur, wenn alles wieder halbwegs normal läuft, wie die beiden immer wieder betonen.

Dass sie einigermaßen durch die Krise gekommen sind, liegt auch daran, dass sie ein kleines Unternehmen führen. "Wir haben ja nicht den Riesenapparat und Penthousebüros in Schwabing, die wir auf einmal nicht mehr zahlen konnten. Das einzige Problem war, unsere eigenen Gehälter zu zahlen", sagt Schwimmer. Dass beide junge Väter sind, habe als Sorge aber auch gereicht. Die Soforthilfe des Bundes haben sie schnell und einfach bekommen, eine Einmalzahlung von 9000 Euro. "Darüber hinaus gab es nichts für uns. Ansonsten hat man uns, wie es so schön formuliert war, auf den vereinfachten Zugang zur Grundsicherung verwiesen. Das hätten wir dann aber als Privatpersonen beantragen und dafür wahrscheinlich die Firma zumindest stilllegen müssen. Das wäre aber nur die letzte Option gewesen. Aber wir waren sind guter Dinge, dass wir das hinkriegen", sagt Utz. Und so hoffen die beiden Filmschaffenden, dass 2021 wieder ein gutes Jahr wird. Für sie selbst wie für alle Kulturschaffenden.

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SZ vom 02.01.2021
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