Künftige Nutzung:Kampf um den Fliegerhorst

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2019 soll die Luftwaffe den Standort Fürstenfeldbruck aufgeben. Die Stadt will unbedingt verhindern, dass bei der künftigen Nutzung nur Rendite zählt und setzt auf einen Mix aus Wohnungen, Gewerbe und Bildungseinrichtungen.

Von Stefan Salger und Peter Bierl

Die Kreisstadt steht vor einer Herkulesaufgabe. Denn bis 2019 will die Bundeswehr den Fliegerhorst freimachen. Das eröffnet Fürstenfeldbruck ungeahnte Möglichkeiten: Im Nordosten könnte da ein ganzer neuer Stadtteil entstehen - hier wird quasi alles auf Anfang gesetzt, die Gedanken sind frei. Wie ein solcher neuer Stadtteil aussehen könnte, das ist die Gretchenfrage, mit der sich Planer und Kommunalpolitiker beschäftigen.

Politiker und Stadtspitze würden sich einen Mix unterschiedlicher Nutzungsformen wünschen. Grünen-OB-Kandidatin Karin Geißler plädiert in der neuesten Ausgabe des Rathausreports für eine "ökologische Mustersiedlung, in der Wohnen, Sport und Erholung verbunden werden, mit Gewerbe und Bildungseinrichtungen. Eine Mehrheit im Stadtrat würde das wohl ähnlich formulieren. Der Stadt selbst aber fehlt die Kraft, ein solch gewaltiges Projekt alleine zu stemmen. Über ihr Planungsprivileg kann sie dennoch die Leitplanken setzen und zumindest die Richtung vorgeben, in die die Reise gehen soll.

Bei der SZ-Veranstaltung "Was Fürstenfeldbruck bewegt" bezeichnete OB Sepp Kellerer (CSU) den Fliegerhorst denn auch als "gewaltiges Thema". Ein Projekt, das Experten gerne als "Konversion" bezeichnen und das die Stadt wohl mindestens bis 2025 in Atem halten dürfte. Während die Nachbargemeinde bereits darüber diskutiert, ob BMW auf dem zu Maisach zählenden Anteil sein Fahrsicherheitstraining weiter ausbauen darf und Projekte wie eine Trabrennbahn sowie Sportanlagen und eine Umgehungsstraße realisiert werden können, ist das etwa 178 Hektar große Filetstück südlich der einstigen Start- und Landebahn noch weitgehend Terra Incognita. Wer einmal die seltene Gelegenheit genutzt hat, das streng abgeschottete Gelände jenseits der Hauptwache zu besuchen, der weiß, wie immens die Aufgabe ist. Eine große Unbekannte ist der Denkmalschutz, der für den Kilometerbau sowie 19 weitere Gebäude gilt. Denn die frühere Luftkriegsschule, die von 1937 an wieder eine Garnison beherbergt hatte, ist ein Stück deutsche Geschichte. Zumindest Teile der vom Architekten Ernst Sagebiel geschaffenen "Blut- und Bodenarchitektur", wie Kreisbaumeisterin Reinhilde Leitz es nennt, sollen von der Abrissbirne verschont werden - so wie die mächtige Kommandantur, der Luftwaffensaal, der Torturm oder der Fahnensaal.

Bis heute dauern die zähen Verhandlungen der Stadt mit dem Grundeigentümer, der staatlichen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) an. Die Stadt hätte gerne und möglichst schnell Zugriff auf die Sportanlagen, zu denen auch ein tadelloses Hallenbad gehört. Vor allem aber geht es um den künftigen Preis für das gesamten Areal, den die Stadt notfalls mit Mitteln des Baurechts so weit wie möglich drücken will. Müsste die Bima nicht, wie bislang vom Gesetzgeber vorgegeben, dem Meistbietenden den Zuschlag erteilen, so bliebe mehr Spielraum für Projekte, die nicht auf maximale Rendite ausgelegt sind. Eine Wohn-Monokultur, wie sie maximalen Profit abwerfen dürfte, will Fürstenfeldbruck verhindern. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sorgte jüngst für fast so etwas wie Euphorie mit ihrem Hinweis auf den Koalitionsvertrag. Der sehe vor, dass Kommunen ehemalige militärische Liegenschaften wohl zu Vorzugskonditionen erwerben können. Das weckt auch bei der Kreis-SPD Begehrlichkeiten: Die schlug jüngst vor, der Landkreis möge doch einen Hektar Grund auf dem Fliegerhorst erwerben, um gerüstet zu sein für künftige Aufgaben im Bereich Schule oder Sozialer Wohnungsbau.

Markus Droth, CSU-Stadtrat und Hauptgeschäftsführer des Bundes der Selbständigen in Bayern, glaubt jedenfalls, dass im Fliegerhorst lediglich Wohnraum für "deutlich weniger" als 2000 Menschen entstehen sollte. Bei der SZ-Dialog-Veranstaltung warnte er aber gleichermaßen vor der Ansiedlung großflächigen Einzelhandels, der zur Ausblutung der Innenstadt beitragen könnte. Droth könnte sich ein Gründerzentrum aus dem Bereich Neue Medien vorstellen, der Brucker Geschäftsmann Konrad Englschalk regte an, über die Nachfolgenutzung vorhandener Einrichtungen wie dem flugmedizinischen Institut nachzudenken. Das könnte auch für größere Unternehmen interessant sein, die Droth gerne ansiedeln würde. Oder auch für universitäre Einrichtungen. Ein interessiertes Institut gibt es längst: Die Erdinger Hochschule für angewandtes Management. Eigentlich wollte die schon zum Semesterbeginn 2013 den Lehrbetrieb in ehemaligen Fliegerhorst-Gebäuden aufnehmen. Wegen des Kaufpreises sind die Verhandlungen aber ins Stocken geraten. Mancher Beobachter bezweifelt, dass die Hochschule überhaupt noch ernsthaft interessiert ist. Für Franz Neuhierl (Freie Wähler) wäre das verkraftbar: Er warf jüngst im Stadtrat die Frage auf, ob die Stadt nicht mit einem Gewerbebetrieb, der Steuern zahlt, ohnehin besser fahren würde.

Ungewiss ist auch die Zukunft der bereits bestehenden Bildungseinrichtung: Die Offizierschule soll eigentlich 2019 nach Roth verlegt werden. Dort aber müsste erst einmal ein Neubau entstehen. Ob das klappt, dahinter setzt sogar CSU-Fraktionschef Herwig Bahner ein Fragezeichen. Und der ist Chef des Brucker Bundeswehr-Dienstleistungszentrums und dürfte gut informiert sein. Statt Umzug nach Roth oder Verbleib in Bruck werde die Zukunft der Offizierschule wohl "irgendwo dazwischen" liegen, deutete er jüngst an.

© SZ vom 03.01.2014/fzg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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