Fußball:Ein Foul mit Folgen vor Gericht

Fußball: Das Schienbein ist beim Fußballspielen besonders verletzungsanfällig.

Das Schienbein ist beim Fußballspielen besonders verletzungsanfällig.

(Foto: Robert Haas)

Ein Verteidiger des TSV Alling verlangt Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil er bei einem Kreisklassenspiel schwer verletzt worden ist.

Von Karl-Wilhelm Götte, Alling

Fußball ist in der Regel kein Sport, der mit Körperverletzung einhergeht. Doch bei tausenden Amateurfußballspielen an jedem Wochenende passieren auch grobe Blessuren, manchmal auch solche, die mit einem komplizierten, offenen Bruch des Schien- und Wadenbeins und inzwischen elf Operationen enden. So passiert vor bald sechs Jahren bei einem Kreisklassenspiel des SC Weßling gegen den TSV Alling. Der verletzte Verteidiger aus Alling verklagt seinen Kontrahenten aus Weßling auf Schmerzensgeld und Ersatz des materiellen Schadens auf exakt 98.800 Euro. Die Verhandlung vor dem Münchner Landgericht II für Zivilsachen ging jetzt in die zweite Runde und ist bisher jedoch ohne Ergebnis.

Was war passiert? Eigentlich das, was im Fußball ständig passiert. Ein hoher Ball fliegt in der 52. Spielminute ins gegnerische Feld, wird vom Allinger Verteidiger angenommen, springt ihm dabei etwas vom Fuß und der Weßlinger Gegenspieler versucht den Ball im Zweikampf zu ergattern. Er trifft dabei seinen Gegenspieler an der Wade. Und zwar so heftig, dass der Krankenwagen kommen muss, um den Allinger Spieler ins Krankenhaus zu bringen. Das Spiel ist mehr als 45 Minuten unterbrochen, aber beide Mannschaften entscheiden sich fürs Weiterspielen. Der Schiedsrichter sagt als Zeuge vor Gericht aus, dass er bei einer so langen Unterbrechung das Spiel hätte abbrechen müssen, sei jedoch dem Begehren beider Spielführer nach Fortsetzung der Partie gefolgt.

Ein Schiedsrichter leitet in der Kreisklasse - das ist die neunte Spielklasse im Fußball - das Spiel übrigens alleine, die beiden "Assistenten" werden jeweils vom Heim- und Gastverein gestellt und sind lediglich Linienrichter an der Außenlinie. Erst zwei Spielklassen höher gibt es drei komplett gelernte Unparteiische. "Es war ein Pressschlag für mich", sagt der Referee als Zeuge aus. "Beide Spieler sind gleichzeitig zum Ball gegangen, das weiß ich noch." Er stand damals etwa 15 Meter entfernt. Vom Notarzt habe er erfahren, dass es ein Schienbeinbruch gewesen sei. Der Gegenspieler aus Weßling habe für das Foulspiel die Gelbe Karte bekommen. Beim verletzten Allinger Verteidiger war nicht nur das Schienbein, sondern auch das Wadenbein gebrochen. "Der Knochen stand heraus", sagt er vor Gericht. Der heute 27-jährige Fußballer spielte seit er zwölf Jahre alt gewesen war, dort Fußball. Nach insgesamt elf Operationen in fast sechs Jahren ist an Fußballspielen nicht mehr zu denken. "Das rechte Bein ist dafür nicht mehr zu gebrauchen", erklärt er im Gespräch mit der SZ. "Ich habe kein Gefühl mehr im Fuß." Zwischendurch hat er es nochmal probiert, aber es sei nicht mehr richtig gegangen. "Vom Kopf geht es einfach nicht mehr", so der verletzte Spieler.

Zwei Mitspieler als Zeugen haben der Allinger und sein Rechtsanwalt geladen. Beide können den genauen Hergang der Kollision nicht exakt erhellen. Jedenfalls kommt bei ihren Aussagen nicht heraus, dass der Weßlinger Gegenspieler vorsätzlich gehandelt hat. "Beide sind auf den Ball zu gerannt und der Mitspieler sei von hinten zu Fall gebracht worden", ist der Tenor der Aussagen. "Es war wohl eine Grätsche von hinten", sagt der eine Zeuge aus. "Wo er ihn getroffen hat, habe ich nicht gesehen." Stand doch der Mitspieler als weiterer Verteidiger auf der anderen Seite des Spielfeldes. Der andere Zeuge saß damals auf der Auswechselbank auch 50 Meter weg vom Tatort, konnte aber sehen, dass der Weßlinger den Allinger von hinten am rechten Bein getroffen habe.

Wie geht es im Juli mit der Beweisaufnahme weiter? Es werden dann fünf Zeugen des Weßlinger Spielers geladen. Wie genau die sich dann an den Ablauf des sogenannten Tathergangs aus dem Jahre 2017 erinnern können, bleibt abzuwarten. Richter Clemens Turkowski, der den Fall nach eineinhalb Jahren von einem Kollegen übernommen hat, lässt noch nicht erkennen, wie er entscheiden wird. Einen Vergleich lehnen beide Parteien ab, so dass Turkowski voraussichtlich ein Urteil sprechen muss. Vorsatz oder Fahrlässigkeit sind die Rechtskategorien, um die es geht. Bei nachgewiesenem Vorsatz, den der Anwalt des Klägers mit einem Gutachten der Unfallklinik Murnau belegen möchte, wird der Beklagte voraussichtlich selbst Schadenersatz leisten müssen, bei grober Fahrlässigkeit springt wohl die Versicherung ein. Doch auch die zahlt bekanntlich nicht gerne. Der Weßlinger Verteidiger ist heute 24 Jahre alt und spielt noch Fußball in seinem Club, jetzt sogar eine Liga höher in der Kreisliga. Natürlich bedauert der Weßlinger die Verletzung seines Fußballkontrahenten, aber fast 100.000 Euro Schadenersatz möchte er natürlich nicht zahlen.

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