Krailling/Germering:Nachbar in Abwehrhaltung

Angeblich will die Post ihr neues Briefzentrum in Krailling ansiedeln, falls es in Germering nicht klappt. Die Gemeinde wappnet sich bereits gegen Begehrlichkeiten dieser Art auf dem Pioniergelände

Von Carolin Fries, Krailling/Germering

Knapp 90 Hektar unbebaute Fläche, strategisch günstig an der A 96 an der Anschlussstelle Germering gelegen - "selbstverständlich schlagen da reihenweise Makler bei uns auf", sagt Markus Neubauer, stellvertretender Geschäftsführer der Krailling Oil Development. Er erzählt von Projektentwicklern, die hier auf dem nördlichen Teil des ehemaligen Pioniergeländes gerne Unternehmen, Logistikzentren oder Freizeitparks ansiedeln wollen und sich an ihn als Eigentümer wenden. Zuletzt soll Gerüchten zufolge sogar die Post Interesse an der Fläche bekundet haben, um hier ein neues Verteilzentrum anzusiedeln - für den Fall, dass es mit einem Neubau im Germeringer Gewerbegebiet für Millionen Briefe täglich und mit bis zu 1300 Mitarbeitern nicht klappt.

Im Kraillinger Rathaus misst man den Gerüchten zumindest soviel Wahrheitsgehalt bei, dass man am Dienstag kurzerhand die Tagesordnung für die Gemeinderatssitzung erweitert hat, um über Schutzmaßnahmen für die Flächen zu beraten. Einstimmig und ohne Diskussion beschloss das Gremium in einer Hauruck-Aktion, Voruntersuchungen für eine städtebauliche Neuordnung zu beauftragen. Man will wissen, wo sich Altlasten befinden und welche Bereiche natur- und artenschutzrechtlich von Bedeutung sind.

Die Ergebnisse sollen in einer rechtlichen Festsetzung münden - einem Bebauungsplan, einer Änderung des Flächennutzungsplans oder auch in einem städtebaulichen Vertrag mit dem Eigentümer. "Wir wollen hier die Natur erhalten", betont Kraillings Bürgermeisterin Christine Borst (CSU). Die Zweifel, dass auch der Eigentümer dieses Interesse verfolgt, scheinen groß. Bauamtsleiter Helmut Mayer begründet die Vorsichtsmaßnahme der Gemeinde mit den "Erfahrungen der letzten Jahre".

Die Krailling Oil Development hat das insgesamt etwa 240 Hektar große Gelände 2016 gekauft. Etwas mehr als die Hälfte der Fläche ist im Flächennutzungsplan als "Sondergebiet Tanklager" definiert. In den großen unterirdischen Tank lagerten zuletzt noch staatliche Spritreserven Tschechiens. Der neue Eigentümer hat die Restbestände ausgeliefert, Tanks und Anlage saniert.

Von Januar an will man hier Diesel "blenden", erzählt Vize-Chef Neubauer. Der Kraftstoff aus Erdöl soll in Krailling mit Bio-Beimischungen angereichert und an Tankstellen in der Region ausgeliefert werden. Außerdem wird Heizöl für Betriebe und Privathaushalte aufbereitet und verkauft. Insgesamt 120 000 Kubikmeter fassen die 32 Tanks, 120 Millionen Liter. Am Dienstag rollte der erste Zug mit Kraftstoff für den Testbetrieb auf das Gelände.

Die das Tanklager umgebende Fläche, insbesondere der nördliche Teil, ist Wald. Hier befinden sich unterirdisch zwar auch noch einige bereits Jahrzehnte stillgelegte Tanks - doch hat sich die Natur das etwa 125 Fußballfelder große Gebiet längst zurück erobert. Wenn es nach der Gemeinde Krailling geht, soll das so bleiben. "Das ist unser Wildpark", sagt Bürgermeisterin Borst. Doch reicht es für den Schutz, dass die Flächen im Außenbereich liegen, dass sie als Wald im Flächennutzungsplan gekennzeichnet sind und als Bannwald fungieren? Für Aufregung sorgten zuletzt 1600 Neuwagen, die ein Dienstleister hier mit Genehmigung der Krailling Oil zwischengelagert hat. "Wir wollen keinesfalls böse überrascht werden", sagt Mayer.

Krailling-Oil-Vize Neubauer versteht die Aufregung nicht. Er betont, die Flächen keinesfalls an Investoren oder Projektentwickler geben zu wollen. Nein, man habe schließlich selbst gute Ideen. So könne man beispielsweise die stillgelegten Tanks mit Wasser füllen und als Wärmetauscher nutzen - bloß wohin mit der gewonnen Wärme? Und auch die Kälte könnte man etwa an ein IT-Unternehmen zur Kühlung verkaufen. Hierfür bräuchte es Gebäude in der Nähe. Eine Bebauung aber ist nicht zulässig, das weiß er. "Außer es handelt sich um eine Bebauung von überregionalem Interesse", sagt Neubauer, etwa ein Krankenhaus, ein Universitäts-Campus, ein bedeutendes Logistikzentrum. Man habe mal ein paar Gespräche geführt. "Aber es waren nur Ideen. Es gibt keine konkreten Pläne." Von einer Anfrage der Post will er nichts wissen.

Auch die Post bestreitet, Interesse an Flächen auf Kraillinger Flur zu haben. Das Grundstück in Germering sei gekauft, bestätigt Post-Sprecher Dieter Nawrath. Somit stehe nur noch die politische Zusage aus. "Wir schauen uns nicht nach Alternativen um, da wir Germering als den am besten geeigneten Standort ansehen", sagt er.

Der ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Sepp Dürr, der in Germering wohnt, kann sich das allerdings nicht vorstellen. Er ist überzeugt, dass der Germeringer Stadtrat das Postzentrum ablehnen wird. "Es gibt keine Fraktion, die ausschließlich dafür ist", sagt er. Dann wäre die Post wieder auf der Suche.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: