Süddeutsche Zeitung

Mitten in Fürstenfeldbruck:Digitales Fensterln

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Kraftklub reisen zu spontanen Konzerten durch Deutschland und suchen bei Instagram nach Locations. Auch die Brucker Subkultur bemüht sich um die Band - vergeblich.

Kolumne von Florian J. Haamann

Das Fensterln gehört mindestens so sehr zum bayerischen Kulturgut wie die Wiesn. Doch während letztere in den gut zwei Jahrhunderten ihres Bestehens ihre Popularität stets steigern konnte, ist das Fensterln als Form der Partnerwerbung doch eher in den Hintergrund gerückt. Längst haben andere Formen übernommen, Datingapps reduzieren den ersten Kontakt gar auf ein Wischen über den Bildschirm. Doch auch wer keinen neuen Schwarm sucht, sondern schon genau weiß, wessen Herz erobert werden soll, kann mehr oder weniger subtile Nachrichten in den sozialen Netzwerken posten. Eine Story aus seinem oder ihrem Lieblingscafé, ein Foto, auf dem man interessiert im Lieblingsbuch des Gegenüber blättert, ein Like oder gar ein Kommentar. Die Möglichkeiten sind da unbegrenzt - genau wie die Wege, die eigenen Möglichkeiten schwinden zu sehen. Der andere verlinkt einen oder eine Unbekannte in einem Post? Ohoh. Eine gemeinsame Story der beiden? Aus und vorbei!

Ein ähnliches Schicksal hat dieser Tage das Team der Brucker Subkultur erlitten. Post um Post haben sie sich darum bemüht, beim digitalen Fensterln gleich fünf heißbegehrte junge Männer zu sich in den alten Schlachthof zu locken. Felix Kummer heißt einer von ihnen, er ist Frontmann der Indierocker von Kraftklub. Die haben gerade ihr neues Album "Kargo" veröffentlicht und waren die ganze Woche mit dem Zug durch Deutschland unterwegs, um mit spontanen Konzerten kräftig Werbung dafür zu machen. Auf Instagram haben sie Veranstalter aufgerufen, sich für eines der unkomplizierten One-Night-Concerts zu melden. Also hat sich die Subkultur ins Zeug gelegt, Bilder des rausgeputzten Schlachthofs gezeigt, der Band Unterkunft angeboten, als sie ein Foto im Regen gepostet hat, den positiven Charakterzug der ehrenamtlichen Arbeit betont - und natürlich die große Freude beim Gedanken an ein Date mit Kraftklub.

Nur ach, all das hat letztlich nicht geholfen. Kummer und Band haben sich an allen Abenden für eine andere Location entschieden. In Augsburg haben sie gespielt, sogar am Münchner Hauptbahnhof, während sie auf einen Anschluss gewartet haben. Während also die Fans in anderen Städten live feiern konnten, mussten die Brucker sich damit begnügen, ins Album reinzuhören und vielleicht etwas Trost aus dem Song "Fahr mit mir" zu ziehen. Denn da heißt es: "Wir fahren weiter, immer weiter, bin gespannt, was noch so kommt."

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