Konzertkritik:Schmerz und Erlösung

Beifall und Bravo-Rufe für Rossinis "Stabat Mater" in Bruck

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Schmerz und Trauer sowie Auferstehung und Vollendung bilden in der christlichen Botschaft eine untrennbare Einheit: Nur der Weg über den Tod am Karfreitag führt zur Auferstehung am Ostermorgen. Musikalisch haben sich deutlich mehr Komponisten für das Passions- als für das Ostergeschehen interessiert. Im Gegensatz zur Leidensgeschichte Jesu, die an theatralischer Vielschichtigkeit kaum zu übertreffen ist, kommt dem "Stabat Mater", der Klage Mariens unter dem Kreuz, in der Liturgie kaum eine Bedeutung zu. Musikalisch bildete dieses Reimgedicht zur Privatandacht für wesentlich mehr Komponisten eine fesselnde Textgrundlage als die Passion.

Gerd Guglhör hat die Vertonung des Stabat Mater von Gioachino Rossini für das Konzert am Karfreitag im Stadtsaal mit Bach-Chor und Bach-Orchester Fürstenfeldbruck in einen besonderen Kontext gestellt: Werke Wolfgang Amadeus Mozarts und Giuseppe Verdis ergänzten und vertieften das musikalische Pasticcio und ermöglichten erweiterte Blickpunkte auf die Thematik. Zu hören waren außerdem die Solisten Gesche Geier (Sopran), Tara Erraught (Mezzosopran), Juan Carlos Falcón (Tenor) und Kay Stiefermann (Bass). Mozarts Jugendwerk "Misericordias Domini" eröffnete das Konzert und verwies in seiner der Tradition verbundenen, kontrapunktischen Anlage auf die Überzeitlichkeit geistlicher Musik. Die einhundert Sängerinnen und Sänger fanden in hoher Präzision den klangschönen Ausgleich zwischen der Deklamation des Textes und einem gut fließenden Melos. In den ersten Sätzen aus Mozarts spätem "Requiem", die der Dirigent, um den Spannungsbogen nicht zu unterbrechen, nahtlos aufeinander folgen ließ, setzte sich dieser Eindruck fort. Erweitert wurde er um organische Korrespondenzen zwischen dem Chor oder auch den Solisten und dem Orchester.

Die an manchen Stellen des Stabat Mater unaufhörlich wiederholten Rhythmen im Orchester standen für den unerbittlichen Schmerz. Sie erhielten aber eine fast versöhnliche Note durch die Kontextualisierung mit berückend schön musizierten Melodiebögen. Im Duetto waren die beiden Solo-Soprane wie Zwillinge aneinander gekettet, in tänzerischem Duktus entwickelte sich ein geradezu lieblicher Charme. Selbst die exakten Punktierungen in der Bass-Arie fielen auf weichen Boden und wirkten in der lyrischen Gesamtanlage wie ein inniges Gebet.

Als am Ende lang anhaltender Beifall sowie Bravo-Rufe für das wunderbare Konzert aufkamen, hatte Rossini die (Opern-)Bühne des diesseitigen Lebens einfühlsam-verlockend bereits ins Jenseits geöffnet: Nach den beiden letzten Textzeilen des Stabat Mater, innig vorgetragen vom Solistenquartett, entfaltete Verdis "Pater noster", das der Chor wunderschön homogen a cappella intonierte, die Wirkung einer tiefen Bestätigung. Dessen Schlusswort Amen war auch der Schlüsselbegriff in Rossinis Finale, innig kantabel und höchst effektvoll polyphon inszeniert. Musikalisch eindrucksvoll hatte so das Leben über den Schmerz gesiegt. Glücklich konnte sich schätzen, wer noch eines der raren Programmhefte ergattert hatte, das sowohl eine tief gehende theologische Reflexion zum Stabat Mater als auch fundierte musikwissenschaftliche Einführungen in die Werke enthielt.

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