Süddeutsche Zeitung

Konzert:Musikalisches Feuerwerk

Paul Millns und Band zeigen die Bandbreite des Jazz

Von Jörg Konrad, Fürstenfeldbruck

Die Kritiken für sein neues Album "A Little Thunder"sind durchweg positiv, fast euphorisch. Dabei ist Paul Millns alles andere als ein Karrierist, der dem Zeitgeist und den Moden nachjagt. Das Gegenteil ist der Fall - und das eigentliche Geheimnis seines Erfolgs. Denn es scheint, als hätten zumindest die Musikenthusiasten mit dem eintönigen Mainstream wenig am Hut. Sie brauchen überzeugende Alternativen. Die bietet der Sänger und Pianist Paul Millns reichlich.

Am Donnerstag war 74-jährige Engländer im Veranstaltungsforum Fürstenfeld und hat die neue Blues-Saison im Kleinen Saal eröffnet. Ein Songwriter, wie ihn sich jeder Veranstalter nur wünschen kann. Dabei ist der Blues nur eines seiner Ausdrucksmittel, den er für sich und seine sehr persönlichen Interpretationen nutzt.

Millns ist ein ausgezeichneter Soulsänger, ein Liedermacher im folkloristischen Sinn und ein authentischer Blueser zugleich. Ein Musiker eben, der den archaischen Wurzeln seiner Kunst und deren kreativen Entwicklungen sehr nahe steht. Ähnlich einem Randy Newman, einem (frühen) Tom Waits, oder einem Leonard Cohen. Millns hat zu Beginn seiner Karriere, das war Mitte der 1960er Jahre, mit den Größen der britischen Blues- und Folkszene musiziert und sich in deren Umfeld seine ersten Sporen verdient. Mit Alexis Korner, John Martyn, Eric Burdon, John Mayall, der Studio Big Band CCS und vielen anderen. Von all diesen Heroen hat er sich symbolisch ein Stück abgeschnitten, hat etwas abgefärbt, ist etwas musikalisch hängen geblieben. Dabei ist er der liebenswerte Nachbar von nebenan geblieben, jemand, dem man gern die Schlüssel zum Blumengießen während des Urlaubs überlassen, mit dem man gern ein Feierabendbier trinken und dabei über Gott und die Welt diskutieren würde.

In Fürstenfeld war Millns mit seiner deutsch-englisch-kanadisch-polnischen Tourband zu Gast, bestehend aus dem Bassisten Ingo Rau, dem Gitarristen und Mundharmonikaspieler Butch Coulter und dem Schlagzeuger Vladi Kempf. Das Quartett brannte ein ordentliches Boogie-Woogie-Feuerwerk ab und überzeugte zugleich mit gefühlvollen Balladen. Sie beherrschen das Einmaleins des Rock'n Roll und improvisieren in bester Jazzmanier. Allen voran Butch Coulter, ein vielseitiger Begleiter, der die instrumentale Verbindung zwischen Millns und Band herstellt, aufrechterhält und mit eigenen solistischen Beiträgen (vor allem an der Bluesharp) auf ein raffiniertes Niveau hebt.

Coulter besitzt zudem einen seelenverwandten Draht zu Ingo Rau am Bass. Der scheint sturmerprobt, stoisch und musikalisch genug, das Fundament der Musik tieftönend zu gestalten und dabei mit dem trommelnden Vladi Kempf einen ständigen Dialog aufrechtzuerhalten.

Überhaupt sind bei allem, was die Band musikalisch in die Hand nimmt, die Spiellust der Musiker, ihre Hingabe und die Beherrschung ihres Handwerkszeug deutlich spürbar. Die Songs sind meist einfach strukturiert, perfekt arrangiert und eindringlich vorgetragen.

Millns Stimme packt die Themen des Lebens am Schopf, driftet nie ins Larmoyante ab, sondern unterstreicht seine Haltung und seine Entscheidungen in unterschiedlichen Lebenslagen. Und immer wieder reichert er seine Kunst mit einem Funken Humor an. Egal, ob es dabei um die Pointe in einem Songtext geht, oder um den Rahmen seiner unterhaltsamen Moderationen. Dass in diesem Umfeld ein paar Bemerkungen über das nach außen clownesk wirkende Chaos des heimischen Brexit nicht fehlen dürfen, versteht sich fast von selbst.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2019
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