Süddeutsche Zeitung

Konzert:Klang als Gestaltungsmaxime

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Die Pianistin Anna Malikova eröffnet gut besuchten Klaviersommer

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Nach langer Zeit mal wieder einen Klavierabend in Präsenz erleben: Für viele Konzertfreunde war das ein sehr reizvoller Gedanke. Beim ersten der insgesamt drei Konzerte des "Fürstenfelder Klaviersommers" war der Stadtsaal am Sonntag trotz aller pandemiebedingten Abstände sehr gut besucht. Wie schon im vergangenen Jahr, so erschien der Stadtsaal wie ein erweitertes Wohnzimmer: Der Flügel stand nicht auf der Bühne, sondern auf gleicher Höhe, und drei überdimensionale Wohnzimmerleuchten sorgten für eine (fast) intime Konzertatmosphäre. Dadurch, dass zu den Sitzreihen im Saal eine Tribüne im rechten Winkel aufgebaut war, verkleinerte sich der Saal auch optisch.

Für die Pianistin Anna Malikova, die unter anderem vor fast drei Jahrzehnten den ARD-Musikwettbewerb für Klavier gewann, schien dieses Ambiente wie geschaffen. Ihr bescheidenes Auftreten und ihr Spiel, das ohne jegliche Äußerlichkeiten auskam, stellten quasi automatisch die Werke des Abends in den Mittelpunkt. Dabei reihte das Programm nicht große Meisterwerke aneinander, sondern versuchte Verbindungslinien zwischen kleinen und großen Werken eines Komponisten aufzuzeigen. Dabei schien Anna Malikova stets auf der Suche nach dem richtigen Klang zu sein. Sie forcierte ihr Spiel nie und verdonnerte damit den Flügel zu einem harten Ton, und nie dunkelte sie mit ihrem Anschlag die Obertöne ab. Anna Malikova suchte differenziert die Nuancen und ihre Finger fanden sie in reichem Maß.

Das galt schon für die zehn "Deutschen Tänze" von Franz Schubert (aus D 366), die zunächst erklangen. Sie gerieten nicht zu belanglos heiterer Unterhaltungsmusik, sondern entwickelten sich zu kraftvollen Tanzminiaturen. Dabei verloren die "Ländler" die Bodenhaftung nicht, sie wirkten schlicht, aber nie derb. Auch wenn die Pianistin die einzelnen Tänze fast nahtlos aneinanderreihte, verbreiteten diese ihr unterschiedliches Temperament.

Dass die Tänze nicht zufällig das Programm eröffnet hatten, verstand der Zuhörer bei der nachfolgenden großen Sonate in c-Moll D 958. Es stellt eine besondere Herausforderung dar, den Spannungsbogen in diesem Werk Schuberts aufrecht zu erhalten. Das gelang Malikova auf beeindruckende Weise: Sie fokussierte nicht einzelne Höhepunkte, sondern entwarf einen großen Spannungsbogen, der gut tragfähig war. Das galt für jeden Satz, aber auch für das Werk insgesamt. Zu der kantablen Melodie trat im Kopfsatz Allegro eine ganz locker gesetzte Begleitung, die den Hörer auch harmonische Fortschreitungen glasklar mitvollziehen ließ. Quasi wie Ankerpunkte durchzogen tänzerische Elemente, die vom Klangeindruck der Ländler bereits vorbereitet waren, die ganze Sonate, sie bildeten gleichsam einen roten Faden. Im Adagio zauberte die Pianistin eine räumliche Tiefe, die als Intensität wahrgenommen wurde, der volle Klang wirkte dennoch schlank. Dass der musikalische Fluss im Finalsatz Allegro nicht nachhaltig durchbrochen war, obwohl Anna Malikova an ein paar Stellen hörbare Konzentrationsschwächen zeigte, war der stimmigen Gesamtdramaturgie zuzuschreiben.

Prélude, Fugue et Variation für Orgel von César Franck in einer Bearbeitung für Klavier eröffneten die zweite Konzerthälfte nach der Pause. Die atmende Zartheit der Oberstimme in der Prélude hatte schlichtes Sentiment, das auf der Orgel kaum in dieser Eindringlichkeit umzusetzen gewesen wäre. Das Stimmengeflecht in der Fugue überzeugte durch den plastischen Klangeindruck. Fünf von ihrem Ansatz her sehr unterschiedliche Etüden auf höchstem technischen wie kompositorischen Niveau von Alexander Skrjabin bildeten den Schlussblock. Sie erfüllten eine ganz ähnliche Funktion hinsichtlich der nachfolgenden Fantasie in h-Moll op. 28 des gleichen Komponisten wie die Schubert-Werke am Anfang. Sehr dankbaren Beifall gab es am Ende für die ganz gelöst wirkende Pianistin.

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SZ vom 10.07.2021
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