Konzert im PUC:Verwegene Klanglandschaften

Helge Lien und Knut Hem überzeugen mit überraschenden Verbindungen

Von Jörg Konrad, Puchheim

Es gehört heute innerhalb des Musikzirkels zur fast alltäglichen Herausforderung, Gegensätze miteinander zu verbinden. Oder sagen wir besser, scheinbar Gegensätzliches miteinander in Einklang zu bringen. Das mag zum einen die unterschiedliche Herkunft und Sozialisation der Instrumentalisten betreffen, denen man zumindest theoretisch keine gemeinsame Musizierhaltung zutraut - um dann praktisch und vor allem akustisch eines besseren belehrt zu werden.

Das kann aber auch, wie im vorliegenden Fall, an der Verschiedenartigkeit der Instrumente liegen, die allein geografisch-kulturell bedingt wahrscheinlich so nicht zueinander gefunden hätten.

Kürzlich waren im Puchheimer Kulturzentrum PUC mit Helge Lien und Knut Hem zwei Ausnahmemusiker Gast der Reihe "Jazz around the World". Ihrer Kreativität beziehungsweise Fantasie ist es zu verdanken, dass das Klavier (Lien) und die Weissenborn (Hem), eine Art Hawaii-Gitarre, in bester Harmonie miteinander die traumhaft schönsten Melodien und Improvisationen erklingen ließen.

Hier haben sich zwei Instrumentalisten gefunden, die an einem ähnlichen Klangideal arbeiten, das man als die Fortführung impressionistischer Kammermusik mit anderen Mitteln benennen könnte. Da vieles von dem, was Helge Lien und Knut Hem musikalisch präsentieren, auf der Grundlage der Improvisation entsteht, passt das Ergebnis problemlos unter das schützende Dach des Jazz. Wo auch sonst wäre man derart abenteuerfreudig und herausfordernd?

Ausgangspunkt für einen Großteil der flüchtigen Songs, die an diesem Abend erklangen, ist die norwegische Folklore, sind Bilder und Begebenheiten des hohen Nordens, die sich in den Kompositionen der Instrumentalisten spiegeln. Helge Lien bringt am Klavier noch einiges an europäischer Klassik mit ins Spiel, die der Musik eine gewisse feierliche Bodenständigkeit verleiht. Knut Hem spielt die Resonatorgitarre, auch Dobro genannt, sowie die seltener anzutreffende Weissenborn, ein Saiteninstrument, das im Aufbau auf der Hawaii-Gitarre fußt. Beide Instrumente sind bis heute Grundlage der nordamerikanischen Bluegrasszene, einer Musizierform des Country, wie sie vor knapp einhundert Jahren in den Bergen von Kentucky und Tennessee entstanden ist.

Die beiden Norweger geben sich aber mit diesen geografischen Ausgangspunkten nicht zufrieden. Sie verarbeiten solistisch oder auch im Duo Einflüsse aus Afrika, manches erinnert in seiner ohrwurmartigen Eindringlichkeit an Folkrock und hin und wieder geistert auch ein rudimentärer Blues durch die Songs.

Was am deutlichsten an diesem Abend wird, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Lien und Hem all diese Ausgangspunkte miteinander ins Spiel bringen. Die Stile und Klänge greifen bei ihnen erstaunlich homogen ineinander. Es entstehen einfühlsame, poetische, manchmal auch verwehende Klanglandschaften von überwältigendem Reiz. Man könnte auch von strukturierter Wehmut sprechen, die dem Auftritt einen ganz besonderen nostalgisch versunkenen Charakter gibt.

Bei aller Verschiedenartigkeit der Ingredienzien noch einige Sätze zur Weissenborngitarre und deren Odyssee ihrer Entstehung. "Erfunden" hat sie ein deutscher Instrumentenbauer, der aus Hannover stammende Hermann Weissenborn. Dieser wanderte zu Beginn des letzten Jahrhunderts nach Los Angeles aus und heiratete dort eine Mexikanerin, die in ihrer Freizeit Hawaii-Gitarre spielte. Deren Modell wurde wiederum von einem norwegischen(!) Handwerker entwickelt.

Hermann Weissenborn nahm diese Hawaii-Gitarre als Grundlage, veränderte ein wenig ihr Aussehen, ihren Klang hingegen maßgeblich - und so war ein neues Instrument entstanden, das von da an seinen Namen trug.

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