Konzert:Die Weite der Seenlandschaft

Das Puchheimer Jugendkammerorchester musiziert gemeinsam mit jungen Gästen aus Groningen

Von Anna Landefeld-Haamann

So ähnlich müssen sich die Zuhörer im Fürstenschloss zu Anhalt-Köthen gefühlt haben, als das Dritte Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian Bach im Jahre 1720 zum ersten Mal aufgeführt worden ist. Dreimal erklingt das fröhliche wie einfach gehaltene Hauptthema des ersten Satzes, bevor die Violinen, Bratschen und Bassi des Puchheimer Jugendkammerorchesters (PJKO) in einen eifrig-hartnäckigen Wettstreit in G-Dur einstimmen. Sofort gelang es den jungen Musikern unter der Leitung von Peter Michielsen dem fresko- und stuckverzierten Kurfürstensaal barockes Leben einzuhauchen. Mit diesem Stück eröffnete das PJKO den ersten Teil des Konzertes, das es gemeinsam mit ihrem Partnerorchester, dem "Haydn Jeugd Strijkorkest" aus Groningen, bestritt. Bereits im vorigen Sommer hatten sich die jungen Musiker auf dem "Peter-de-Grote"-Festival in den Niederlanden kennengelernt. Nun stand der Gegenbesuch an und beide Orchester spielten an diesem Abend zur Serenade auf.

Zu Schaffen machte dem PJKO die hallige Akustik des Saals. Die feine dynamische Differenziertheit des ersten Satzes ging in der Gigue des dritten verloren. Nicht das beherzt-zupackenden Spiel der jungen Musiker und auch nicht das ausgeprägte, alles zusammenhalten wollende Dirigat Michielsens konnten verhindern, dass sich die endlosen Sechzehntelketten überschlugen und nur noch an ein verwaschenes Klangaquarell erinnerten. Erst das Andantino des Impromptu op. 5 von Jean Sibelius brachte wieder die nötige Ruhe in den Orchesterklang. Das PJKO erzeugte eine so dichte und fast schon magische Klangfläche, dass die Weite einer unbewegten, finnischen Seenlandschaft kurz vor Sonnenaufgang schier spürbar war.

Mit Wolfgang Amadeus Mozarts Serenade Nr. 13 begann das HJSO unter der Leitung von Jan Ype Nota den zweiten Teil des Konzerts, die als "Eine kleine Nachtmusik", als Ikone klassischer Musik, auch fester Bestandteil moderner Popkultur ist. Zu häufig gespielt, zu häufig als Untermalung für Werbespots und Filme missbraucht, neigt man dazu, diese einfache wie intelligente Komposition beim Hören an sich abperlen zu lassen. Doch die Version des HJSO war keineswegs abgedroschen, sondern gespickt mit Spielfrische und -witz - mutiges, selbstbewusstes Forte wechselte sich mit leichten, aber ungemein präzisen Piano-Passagen ab, so dass das Allegro des ersten Satzes in seiner vollkommenen mozartschen Raffinesse erstrahlen konnte und den Zuhörer zum Mitdenken bewegte.

Sichtlich Freude bereiteten den Musikern die "Fünf Stücke für Streichquartett" von Erwin Schulhoff. Der deutsch-tschechische Komponist, der anders als seine Zeitgenossen Arnold Schönberg oder Alban Berg in Vergessenheit geraten ist, erlebte vor 20 Jahren eine von Gideon Kremer eingeleitete Renaissance. In kurzen, prägnanten Sätzen spielt er geradezu klischeehaft an auf die sentimentale Wienersche Walzerkultur oder die bis zur Erschöpfung wirbelnde italienische Tarantella. Elemente der Zweiten Wiener Schule mischen sich hier gekonnt mit Dada und Jazz. Vielleicht nahm die Fassung für Streichorchester ein wenig den makabren Charme und die feine Intimität, die nur im Streichquartett entstehen können. Doch spätestens, als die 50 jungen Musiker gemeinsam zu Astor Piazzollas "Libertango" ansetzten, wurde klar, dass es bei Jugendorchestern in erster Linie um die Freude am Musizieren geht.

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