Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Fürstenfeldbruck:Von der Sitzschale bis zur Energiewende

Lesezeit: 4 min

Wer gewählt werden will, muss sich ins Gespräch bringen. Nach dieser Devise scheinen die Kommunalpolitiker derzeit zu handeln und laufen auf Hochtouren. Auf die neuen Mandatsträger warten große Herausforderungen. Ein interaktiver Überblick.

Von Christian Hufnagel

In Wochen wie diesen laufen die Kommunalpolitiker auf Hochtouren, als wenn jetzt alles auf den Weg gebracht werden muss, was in Jahren versäumt worden ist oder im Grunde auch noch ein Weilchen Zeit hätte. Aber es geht jetzt eben darum, sich ins Gespräch, mindestens aber ins Bewusstsein zu bringen. Und da ist kein Anlass gering genug, wie die pausenlosen Presseerklärungen unschwer bezeugen. Fraglich ob Mitteilungen der folgenden Art Sympathie- oder gar Überzeugungspunkte beim Wähler erzielen, etwa wenn dieser erfährt, dass Germeringer CSU-Politiker in einem Gesundheitszentrum "sehr interessante Hintergrundinformationen" mitgenommen haben oder Bewerberinnen der Freien Wähler im Eichenauer Pflegezentrum "wertvolle Eindrücke" sammeln durften.

Fern von Gehalt und Bedeutsamkeit sollen derartige Besuche und Aktionen eben das Bild von einem tatkräftigen, engagierten und beflissenen Interessensvertreter kreieren. Und wenn die Eigenwerbung so kuriose Züge annimmt wie die Ankündigung und Einladung des Brucker CSU-Oberbürgermeister-Kandidaten, mit ihm die Ausstellung "Fantastische Kunst" zu besuchen.

Eine kaum geringere Hyperaktivität lässt sich drei Wochen vor der Kommunalwahl bei Anträgen für die davor letzten Sitzungen registrieren. Auch auf diesem Gebiet scheint nichts gering genug, als dass es nicht groß in die Öffentlichkeit getragen werden sollte. Beispiele: Die Eichenauer CSU ersucht den Bürgermeister um "fest installierte Fahrradständer" am Marktplatz, damit die Einkäufer des Dienstagmarktes ihr Fortbewegungsmittel abstellen könnten. Die Grünen in Gröbenzell haben auch noch schnell ein publikumswirksames Thema gefunden und wollen die Bushaltestellen im Ort mit Sitzgelegenheiten ausstatten lassen. Und die SPD der Großgemeinde will die Erste-Hilfe-Kurse des Roten Kreuzes aus ihrem Keller-Dasein im Freizeitheim in lichte leer stehende Räume einer Schule verlegen. Auch diese kleine Auswahl an Anträgen kennzeichnet eine signifikante Seite der Kommunalpolitik, nämlich die, mit der Lösung kleiner alltäglicher Probleme große Wirkung beim Wähler zu erzielen.

Die Geschäftigkeit, die die Parteien und ihre Bewerber um ein Mandat gewohnheitsmäßig vor Wahlterminen an den Tag legen, wünscht man ihnen auch für die Zeit danach - für eine lange Legislaturperiode. Denn neben den ebenso augenfälligen wie nervigen Problemen des Alltags wie den fehlenden Fahrradständern oder Sitzen an Bushaltestellen in einem Heimatort gibt es eine Reihe von übergeordneten großen Herausforderungen für die Landkreiskommunen, die wohl nur in praktischer Zusammenarbeit und im gemeinsamen Bewusstsein gelöst werden können.

Beispielhaft seien hier vier bedeutsame Fragen genannt, auf die Antworten und Wege gefunden werden müssen: Wie gelingt die Energiewende bis zum selbst gesteckten Ziel 2030? Wie ist in einem dicht besiedelten Zuzugslandkreis bezahlbarer Wohnraum zu verwirklichen? Wie können die Ostkommunen ihre Verkehrsproblematik lösen? Wie kann der demografische Wandel in seinen Folgen gemeistert werden?

Wenn man nun personellen Wechsel als Ermutigung und Hoffnung auffasst, dass diese Probleme gewissermaßen von neuem Personal mit Schwung und Elan angegangen werden, dann ist diese Kommunalwahl eine günstige und zukunftsfrohe. Denn allein im Amt des Bürgermeisters wird es fast in der Hälfte der Städte und Gemeinden mit Sicherheit ein neues Gesicht geben: Nicht weniger als elf bisherige Rathauschefs treten aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr an. Dazu kommt, dass sich amtierende Gemeindeoberhäupter wie in Olching oder Oberschweinbach natürlich nicht sicher sein können, weitermachen zu dürfen. Mit Ausnahme von Sepp Raith in Adelshofen und Pius Keller in Türkenfeld, die keinen Konkurrenten fürchten müssen. Als Bürgermeister darf sich wohl auch schon Paul Dosch, einziger Kandidat in Althegnenberg, fühlen, ist seine Gemeinde doch die dritte, in der eine sogenannte "unechte Mehrheitswahl" stattfindet, also die Einwohner nur über einen "Wahlvorschlag" zu befinden haben.

Stichwahl nicht ausgeschlossen

Von solch einem Gefühl kann Landrat Thomas Karmasin derzeit nur träumen. Weniger die Zahl von vier Herausforderern als mehr unglückliche Auftritte führen dazu, dass der 51-jährige Jurist durchaus mit einer Stichwahl rechnen muss, um in seine vierte Amtszeit gehen zu können. Hat er trotz der Blockadepolitik seines Parteichefs bei der Windkraft Standfestigkeit gegenüber den Gegnern im Landkreis bisher gezeigt ("Jeder hält Windkraft für wichtig, nur nicht bei sich."), so reagiert er bei anderen Themen plötzlich dünnhäutig und wenig souverän. Berichte über Missstände in der Kreisklinik tut er als "Fake" ab und verweigert eine durchaus notwendige Aussprache in einer Sondersitzung des Kreistages.

Und auch der Kritik an einer Beilage zu 75 Jahre Landratsamt begegnete er schroff und verwies die SPD knapp auf die Rechtsaufsicht. 2008 hatte Karmasin keine derartigen Angriffspunkte im Wahlkampf geliefert. Nimmt man seine dennoch nur 52,62 Prozent von damals als Polster, könnte dieses diesmal schnell aufgebraucht sein, wenn es darum geht, sich einen zweiten Wahlgang zu ersparen.

Andere Prognosen sind bei diesen Kommunalwahlen kaum mehr als Prophetie. Auch vor dem Hintergrund, dass die Ergebnisse von Ort zu Ort über einen Trend hinaus andere Nuancen setzen können. Vor sechs Jahren hat etwa die CSU ja nicht überall gleich verloren. Sie büßte in Bruck und Germering einen Sitz ein, in Olching gewann sie hingegen zwei hinzu. Nicht anders differenziert fiel die Stimmenabgabe für die anderen Parteien aus. Und ob nun die CSU ihre Dominanz wieder ausbauen, die SPD ihren Abwärtstrend stoppen oder die Grünen sogar zur zweiten politischen Kraft aufsteigen können, das alles mag nachrangig sein - vor der allgemeinen Erwartung und Forderung, dass die großen Probleme wie die Energiewende und die Wohnungsmisere im Landkreis nur gemeinsam, gleichermaßen interkommunal gelöst werden können.

Wenn sich die neuen Mandatsträger dann nach dem Erreichen ihres persönlichen, auch für das allgemeine Ziel so ins Zeug legen wie dieser Tage und die Öffentlichkeit mit Ideen, Aktionen und Anträgen geradezu bombardieren, dann hat zumindest die kommunalpolitische Kultur an Vitalität gewonnen. Ihren Beitrag dazu können und sollten freilich auch die Landkreisbürger leisten und mal für eine ermutigendere Wahlbeteiligung als 58, 59 Prozent sorgen.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2014
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