Kommunalwahl in Fürstenfeldbruck, SZ-Serie, Folge 6:Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Veranstaltungen, bei denen Kandidaten für politische Mandate nominiert werden, finden vermehrt hinter verschlossenen Türen statt. Die Parteien nennen unterschiedliche Gründe dafür

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Ungewollt sei das gewesen, sagt Dieter Kreis: "Das war überhaupt keine Absicht, wir haben überhaupt nichts zu verbergen." Kreis ist Kreisvorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). Ihre Kandidatenlisten für den Kreistag und den Olchinger Stadtrat hat die ÖDP unter Ausschluss der Öffentlichkeit aufgestellt. Ein Versehen offenbar. Das Organisationsteam habe schlicht vergessen, die Einladungen wegzuschicken, beteuert Kreis. Tragisch findet er das vor allem deshalb, weil "wir für Transparenz stehen". Eine versäumte Gelegenheit, für die Partei Werbung zu machen, sieht er darin jedoch nicht. "Es hätte sein können, aber erfahrungsgemäß kommen zu den Veranstaltungen nicht sehr viele."

Die ÖDP war nicht die einzige Partei oder Wählergruppe, die die Wahl ihrer Kandidaten für ein Kommunalparlament hinter verschlossenen Türen abgehalten hat. Doch wie sieht das aus juristischer Sicht aus? Dürfen Nominierungsveranstaltungen überhaupt unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten werden? Laut Auskunft der Kommunalaufsicht im Landratsamt spricht nichts dagegen. Das regle die jeweilige Satzung der Partei oder Vereinigung, erläutert Robert Drexl, Leiter der Kommunalaufsicht. Nur sogenannte nicht-organisierte Wählergruppen, die keine bestimmbaren Mitglieder haben, müssen demnach öffentlich zu Aufstellungsversammlungen einladen. Eine solche Gruppierung sind zum Beispiel die Unabhängigen Wähler Gröbenzell (UWG). Zur Aufstellungsversammlung der Gruppierung, der auch Bürgermeister Martin Schäfer angehört, kamen mehr als 120 wahlberechtigte Gröbenzeller Bürger. Eine bemerkenswerte Zahl, die großes Interesse an kommunalpolitischen Themen vermuten lässt.

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Hinter verschlossener Tür: Wenn Kandidaten gewählt werden, sind Besucher und Presse bisweilen unerwünscht.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Zur Frage, ob sich ein verstärkter Rückzug in den nicht-öffentlichen Bereich auf das politische Interesse auswirkt, kann Drexl allerdings nichts sagen: "Wir haben keine Anhaltspunkte, dass die Parteien sich häufiger aus der Öffentlichkeit zurückziehen als früher, und keine Erkenntnisse dazu, wie sich diese Praxis auf das Interesse an Politik in der Bevölkerung auswirkt."

Es fällt jedenfalls in diesem Wahlkampf auf, dass - zumindest gefühlt - eine zunehmende Zahl an Parteien und politischen Gruppierungen im Landkreis ihre Kandidatenkür, also die Nominierung von Bürgermeisterkandidaten und der Bewerber für Gemeinde- oder Stadtrat, unter sich ausmachen. Die CSU in Gröbenzell hat es getan, als sie ihren Bürgermeisterkandidaten Anton Kammerl in nichtöffentlicher Wahl bestimmte. Ebenso die SPD in Puchheim: Dort wurden der amtierende Rathauschef Norbert Seidl als Bürgermeisterkandidat sowie die 30 Bewerber für die Stadtratsliste gewählt - von 23 Wahlberechtigten. Die Brucker Bürgervereinigung (BBV) bestimmte ihre Kandidaten ebenso unter Ausschluss der Öffentlichkeit wie die Freien Wähler Gröbenzell. Auch Die Linke und die AfD informierten die Öffentlichkeit über ihre Kandidaten für den Kreistag erst im Nachhinein. Es werden unterschiedliche Gründe genannt.

Wie die Puchheimer SPD-Vorsitzende Marga Wiesner erläutert, habe sich der Vorstand wegen einer für den selben Abend geplanten Satzungsänderung (um die Liste für Parteifreie zu öffnen) für Nichtöffentlichkeit entschieden. Da man dazu eine längere Diskussion erwartet: "Wir hatten eine Riesentagesordnung. Wir haben deshalb gesagt, das können wir gar niemanden zumuten." Im Nachhinein habe sich die Änderung der Satzung als völlig unproblematisch herausgestellt, der Ausschluss der Öffentlichkeit "wäre gar nicht nötig gewesen". Die nächste Kandidatenkür soll wieder öffentlich stattfinden. Nach Wiesners Einschätzung richtete dieser Art der Nominierung keinen Schaden an: "Es ist kein großes Interesse von der Bevölkerung da." Nach ihrer Erfahrung "musst du froh sein, wenn alle Mitglieder da sind". Zudem habe man alle Kandidaten danach der Öffentlichkeit präsentiert.

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"Das interessiert eh meistens keinen", findet auch Klaus Quinten. Besondere Gründe dafür, dass die BBV in Fürstenfeldbruck ihre Stadtratsbewerber ohne Öffentlichkeit nominiert hat, gibt es keine. Ob die Nominierungen in der Vergangenheit öffentlich waren, kann der Vorsitzende nicht sagen. Er hat aber noch ein Argument für die nichtöffentliche Variante: Im kleineren Kreis würden sich auch unerfahrene Interessenten eher zutrauen, zu kandidieren. Gerade dieses Mal, wo die Liste erstmals paritätisch, also abwechselnd mit männlichen und weiblichen Kandidaten besetzt ist, sieht er darin einen Vorteil. "Die Frauen hätten auch vielleicht weniger Chancen gehabt", mutmaßt Quinten.

Der Gröbenzeller CSU-Ortsvorsitzende Andreas Keefer begründet das Prozedere bei der Wahl des CSU-Bürgermeisterkandidaten mit der Satzung. Gemeinderat Thomas Eichler erklärt hingegen, dass man sich in nichtöffentlicher Runde "mal aussprechen kann". Große Differenzen dürften aber bei der Mitgliederversammlung am 7. Oktober vorigen Jahres eher rar gewesen sei, da Kammerl der einzige Kandidat für den Posten als Rathauschef war.

Detlef Arzt, früherer CSU-Ortsvorsitzender in Gröbenzell, der mit der Wahl von Markus Söder zum Ministerpräsidenten aus der CSU austrat und vor der Landtagswahl 2018 mit anderen politisch engagierten Gröbenzellern die Bürger zum Wählen mit Ausnahme der AfD aufrief, kritisiert die Verlagerung in die Nichtöffentlichkeit: "Das ist natürlich keine gute Entwicklung und trägt sicherlich nicht zur Vertrauensgewinnung, sondern eher zur Verstärkung der Politikverdrossenheit bei. Ich halte gar nichts davon." Nach seiner Kenntnis waren die Nominierungsversammlungen der Gröbenzeller CSU bisher stets öffentlich - zumindest von 2006 an, als er Parteimitglied war. CSU-Bürgermeisterkandidat Anton Kammerl ist nach Arzts Einschätzung ähnlich wie sein Vorgänger als Bürgermeisterkandidat, Thomas Breitenfellner, "intern umstritten", sagt Arzt. Daher habe man die Nichtöffentlichkeit verfügt, "um die internen Streitigkeiten nicht nach außen erkennbar werden zu lassen", mutmaßt er.

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