Kommunalwahl in Fürstenfeldbruck:Herzensangelegenheit

Michael Raith und Michael Schanderl blicken auf ihre Jahre als Bürgermeister von Adelshofen und Emmering zurück. Beide hat der Stress krank gemacht. Doch die Zufriedenheit überwiegt

Von Ingrid Hügenell, Adelshofen/Emmering

Das Bürgermeisteramt, ob ehren- oder hauptamtlich, erfordert viel Zeit und Engagement. Sieben Bürgermeister im Landkreis treten bei der Wahl im März nicht wieder an, einige von ihnen auch aus gesundheitlichen Gründen. Michael Raith und Michael Schanderl hatten beide mit Herzproblemen zu kämpfen. Dass die auf den Stress im Amt zurückzuführen waren, ist nicht unwahrscheinlich. Dennoch ziehen beide eine positive Bilanz und bereuen die Entscheidung nicht, die anspruchsvolle Aufgabe übernommen zu haben, auch wenn der Ton rauer geworden sei und das Verständnis für die Gemeindeverwaltung und die Sachzwänge abgenommen habe, unter denen auch der Bürgermeister arbeite.

Michael Raith, 66, ist seit 24 Jahren ehrenamtlicher Bürgermeister von Adelshofen, drei Ortsteile, 1739 Einwohner. "Das ist unglaublich vielseitig und jeden Tag der Griff ins volle Leben", sagt er, "eine sehr große Horizonterweiterung." Davor war der Nassenhausener sechs Jahre lang Zweiter Bürgermeister und davor Elternbeiratsvorsitzender sowie Pfarrgemeinderat. Seit 1982 macht er den Nikolaus in Kindergarten und Schule. Als Bürgermeister arbeitete er weiter 20 Stunden bei einer Krankenkasse und bestimmt 50 Stunden wöchentlich für die Gemeinde. "Das ist schon viel und eigentlich unzumutbar", sagt Raith. Die Überlastung zeigte sich im August 2019: Mit Blaulicht sei er direkt von der Praxis seines Arztes in die Fürstenfeldbrucker Klinik gebracht worden. "Ich war kurz vor dem Herzinfarkt. Das war ein Schuss vor den Bug."

Bürgermeister Emmering Amtskette

Die Amtskette, hier die von Emmering, trägt der Bürgermeister zu besonderen Anlässen. Das Amt kann eine Bürde sein, aber es erweitert in seiner Vielfältigkeit auch den Horizont.

(Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Raith ist ein typischer Dorfbürgermeister. Etwa 60 Prozent der Leute im Ort nennen ihn "Muck", die anderen 40 Prozent "Mick", so erzählt er es selbst. Er gehört allen 15 Vereinen an, nicht aber der CSU, obwohl er immer auf der Liste "CSU-Bürger für Adelshofen/Nassenhausen/Luttenwang" kandidiert hat. Doch um für alle wählbar zu sein, sei er der Partei nie beigetreten. Raith ist stets ansprechbar und kümmert sich um alles. In der Asyldebatte habe er manchmal ein dickes Fell gebraucht, sagt er. Aber der Dialog sei wichtig: "Was ausgredt ist, ist ausgredt."

Die Arbeit für die Umwelt war eine seiner Triebfedern. Schon 1993 erhielt Adelshofen den Umweltpreis der Diözese, 1994 folgte eine Auszeichnung des Landesverbands für Gartenbau- und Landespflege für die Erhaltung und Pflege von Obstbäumen, 2005 wurde Adelshofen als "Grüne Gemeinde" geehrt. Raith konnte das Wort "Biotopvernetzung" schon fehlerfrei aussprechen, als andere noch nicht einmal ahnten, was das ist. In seine Amtszeit fallen die Anlage von Radweg-Verbindungen zwischen den Ortsteilen und die Renaturierung der Maisach mit der Anlage der Maisachschleife. Tausende Bäume und Sträucher habe er privat gepflanzt, sagt Raith. Besonders stolz ist er, dass in allen drei Ortsteilen Dorferneuerungsprogramme durchgezogen wurden und die Gemeinde dafür 2019 das "Heimatgütesiegel" erhielt. Und auf das Gästebuch der Gemeinde, in das sich unter anderem chinesische und äthiopische Delegationen eintrugen.

Bürgermeister

Michael Raith, 24 Jahre Bürgermeister von Adelshofen.

(Foto: Gemeinde Adelshofen)

Die Gemeinde Adelshofen hat seit 1945 erst drei Bürgermeister gehabt. Raith hält, kaum verwunderlich, viel von dieser Kontinuität. "In sechs Jahren kann man nur ein oder zwei Projekte machen", sagt er. Gut möglich, dass sich die langen Amtsperioden fortsetzen. Der einzige Kandidat bei der Wahl am 15. März ist der erst 27 Jahre alte Robert Bals.

Welcher der fünf Kandidaten, die in Emmering antreten, Michael Schanderls Nachfolger wird, ist ungewiss. Der hauptamtliche Bürgermeister der Freien Wähler blickt mit durchaus gemischten Gefühlen auf seine 18-jährige Amtszeit zurück. Denn in dieser Zeit gab es viele Veränderungen, nicht alle positiv. In Emmering, mit 7135 Einwohnern viermal so groß wie Adelshofen, spürt man die Nähe zu München, die "Schattenseiten der Urbanisierung", wie Schanderl, 56, es nennt. Die Großstadt liegt nur 25 Kilometer entfernt. Die Menschen grüßen sich nicht mehr unbedingt, wenn sie sich über den Weg laufen, auch nicht den Bürgermeister.

Stattdessen nimmt er eine "sehr hohe Erwartungshaltung" wahr bei den Bürgern, die aber oft nicht wüssten, wofür eine Gemeinde zuständig sei und was sie leisten könne. Eine Einschätzung, die Raith teilt. Schanderl sagt: "Das demotiviert und nimmt die Freude an der Arbeit." Andererseits erfahre er viel "Wertschätzung und Anerkennung dafür, wie ich mein Amt ausfülle". Er habe es "zu keiner Minute bereut", Bürgermeister geworden zu sein. Auch nicht, als er 2010 bei einer Skitour einen Herzinfarkt erlitt. Bei zwei Reha-Aufenthalten lernte er danach, besser mit Stress umzugehen. Bürgermeister seien gefährdeter für Herzerkrankungen als Durchschnittsberufe, es gebe sogar spezielle Fortbildungen für sie zur Prävention von Herzerkrankungen, sagt Schanderl. Er übe jetzt, öfter mal nein zu sagen.

Michael Schanderl, Bürgermeister Emmering, 2020

Michael Schanderl, 18 Jahre Bürgermeister von Emmering.

(Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Schanderl pflegt einen partnerschaftlichen Arbeitsstil. Jeden Morgen geht er durchs Haus, schaut bei allen Mitarbeitern vorbei und bespricht, was es zu besprechen gibt. "Viel ist schon entschieden, wenn ich in meinem Büro ankomme." Ein Bürgermeister ist für ihn erfolgreich, wenn er als Brückenbauer agiert, als Moderator mit eigener Position, die er auch vertritt. "Wichtig ist auch, guten Argumenten gegenüber aufgeschlossen zu sein und sich überzeugen zu lassen." Viele Projekte habe er erfolgreich abgeschlossen. "Ich gehe mit einem guten Gefühl und mit dem Gefühl, keine Baustelle zu hinterlassen."

Der promovierter Agrarwissenschaftler war, ehe er zum Bürgermeister gewählt wurde, Pressesprecher des Bayerischen Bauernverbands in München. Die Arbeit im Rathaus habe es ihm ermöglicht, mittags zum Essen nach Hause zu gehen und die Entwicklung seiner drei Kinder mitzuerleben. Zum Bauernverband könnte er zurückkehren. Schanderl kandidiert erneut für den Gemeinderat, ebenso für den Kreistag, und dem Bezirkstag gehört er ebenfalls an. Er sieht es als großen Luxus, dass er nicht mehr arbeiten müsste und wird sich auf jeden Fall weiter um seine Nebenerwerbs-Landwirtschaft kümmern.

Michael Raith wird die Gitarre wieder öfter zur Hand nehmen. Und vielleicht auch wieder mit dem Liedermacher Sepp Raith, seinem Bruder, auftreten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: