Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl 2020:Der singende Sozialdemokrat

Lesezeit: 3 min

Christoph Maier, SPD-Bewerber für das Amt des Landrats, probiert im Wahlkampf ein neues Format. Statt großer Reden gibt es für die 50 Besucher im Brucker Unterhaus vor allem Musik

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Eines hat der SPD-Landratskandidat Christoph Maier dem CSU-Amtsinhaber Thomas Karmasin schon einmal voraus: Er ist ein mehr als passabler Sänger und kann auf der Bühne eine rockige Show abliefern, ohne sich dabei zu ernst zu nehmen. Aus der Position des nicht gerade sehr aussichtsreichen Herausforderers heraus hat sich Maier dazu entschieden, im Wahlkampfe neue, kurzweilige Wege zu gehen. Eingängiger Gesang statt ausuferndem Gerede. Und so hat er für Montagabend unter dem Motto "Democracy in Concert" ins Brucker Unterhaus geladen. Ein erfrischendes Konzept, das zeigt: Wahlkampf muss nicht immer trocken sein. Bis zur Wahl im März will er das Format in anderen Kommunen wiederholen. Seit seinem fünften Lebensjahr macht Maier Musik, tritt immer wieder mit verschiedenen Bands auf.

Die Wände des alten Unterhaus-Gewölbes sind rot und grün angestrahlt. Vielleicht als nostalgische Erinnerung an die Zeit, in der die SPD noch Kanzlerpartei war und Maier zum zweiten Mal im Puchheimer Stadtrat saß. Gut 50 Besucher sind gekommen, um erst die Brucker Rockband "Spooner" zu hören, dann ein paar Worte vom Landrats- und einigen der Stadtratskandidaten, bevor schließlich Maier mit seiner eigens gegründeten Band Die Landräte die Bühne rockt.

Auf den Tischen sind Flyer mit Maiers Thesen verteilt: "Bildung pur", "Klimaschutz jetzt", "Sozialer Zusammenhalt", "Wohnen für alle". Wohl auch im Wissen darüber, dass er sie kaum wird umsetzen müssen, nimmt Maier dabei Positionen ein, die man angesichts des großkoalitionär-realpolitischen Kurses seiner Partei geradezu radikal nennen könnte. 3000 neue Wohnungen will er in der Amtsperiode bauen mit einem Preis von zehn Euro pro Quadratmeter. Vorbild ist ihm dabei Wien mit seinem kommunalen Wohnungsbau. Kinderarmut nennt er einen Skandal und er will "alle unterstützen, denen es um das Wohl der Mitmenschen und nicht den kalten Egoismus geht".

Auch der obligatorische Angriff auf den politischen Gegner fehlt nicht. Dem Landrat wirft Maier "Verantwortungsverweigerung" vor, wenn dieser behaupte, der Landkreis habe in der Klimapolitik vieles richtig gemacht, und wenn die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht würden, dann sei das vor allem die Schuld der Bürger. "Alleine das ist ein Grund dafür, den Herren aus dem Amts zu schieben", sagt Maier.

"Gemeinwohl statt Gier" lautet Maiers Wahlkampfslogan, der auch auf dem Aufkleber steht, den der 50-Jährige sich auf sein weißes Hemd geklebt hat. "Wir sind hier, weil wir Flagge zeigen wollen als Sozialdemokraten. Gegen die Hetzer, die Gierigen und die Gelangweilten", ruft Maier mit ordentlich Pathos, die man ihm mit seiner kumpelhaften, ruhigen Art und den irgendwie immer etwas melancholischen Augen eigentlich gar nicht zutraut. "Wir wollen mit diesem Abend auch ein Zeichen setzen: Wir sind hier und wenn ihr aus diesem Land etwas anderes machen wollt, dann müsst ihr uns erst einmal wegschieben." Die programmatische Positionierung überlässt er an diesem Abend den Flyern, am Mikrofon gibt er sich vor allem als überzeugter, aufrichtig besorgter, kämpferischer Demokrat. Es ist eine Rolle in der er sich gefällt und aufgeht.

Vor allem im musikalischen Teil des Abends. "Das nächste Lied ist Programm für die kommenden sechs Jahre", kündet er Tracy Chapmans antikapitalistische Hymne "Talkin' Bout a Revolution" an. Annehmbar rockig interpretiert er mit seiner Band, mit der er sonst eher Jazz spielt, diesen Klassiker. Zwar kommt er im Ärzte-Song "Schrei nach Liebe" stimmlich nicht ganz an die Radikalität von Farin Urlaub heran. Nachdrücklich klingt es trotzdem, wenn Maier "Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe, deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit" singt. Die Songliste liest sich auch ansonsten wie die einer Friedensdemo: "Call it Democracy" von Bruce Cockburn, "Wir sind Deserteure" von Wolf Maahn, "Gegen die Strömung" von Udo Lindenberg. Ganz so authentisch wie bei einem linksalternativen Kellerkonzert ist die Stimmung im Unterhaus zwar nicht, auch Maiers Aufforderungen "Die Feuerzeuge dürfen gezündet worden" und "es darf getanzt werden", verhallen unbeantwortet. Dafür, dass die Besucher zum großen Teil Parteimitglieder sind und es sich immer noch um eine Wahlkampfveranstaltung und keine Kundgebung oder Demonstration handelt, ist die Atmosphäre allerdings recht ausgelassen.

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Quelle:
SZ vom 08.01.2020
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