Süddeutsche Zeitung

Kommunalfinanzen:Aufgeschoben

Lesezeit: 7 min

Die Corona-Pandemie macht den Städten und Gemeinden einen Strich durch die Rechnung. Denn die Einnahmen fließen nicht so in die Kassen, wie das geplant gewesen ist. Etliche Projekte können deshalb erst zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden

Von Heike A. Batzer, Peter Bierl, Karl-Wilhelm Götte, Andreas Ostermeier, Ariane Lindenbach, Stefan Salger und Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Die Lockdowns wegen der Corona-Pandemie wirken sich auf die Einnahmen von Städten und Gemeinden aus. Für etliche Kommunen bedeutet dies, dass sie Vorhaben schieben oder aufgeben müssen. Auch im Landkreis Fürstenfeldbruck zeigt sich das.

Landkreis

Kurz vor Weihnachten hatte der Kreistag seinen Haushalt für 2021 festgezurrt und dabei bereits einen sorgenvollen Blick vorausgeworfen. Deutlich wurde die Sorge in der zeitlichen Verschiebung erster Vorhaben. Am Bauernhofmuseum Jexhof und am sonderpädagogischen Förderzentrum in Fürstenfeldbruck soll Geld für die geplanten, größeren Baumaßnahmen nicht 2022 und 2023 bereit gestellt werden, sondern jeweils erst ein Jahr später. Um den Jexhof, der jährlich um die 25 000 Besucher verzeichnet, zukunftsfähig zu machen, wird seit einiger Zeit an einer Museumsentwicklungsplanung gearbeitet. Auch verschoben wurden der Neubau des kreiseigenen Notfalllagers, das in Eichenau eine neue Heimat finden soll, sowie der Bau einer Asylbewerberunterkunft im Fürstenfeldbrucker Gewerbegebiet Hasenheide. Nicht alle Kreisräte waren sich ob der Verschiebungen einig. Lieber mehr Schulden machen, forderte SPD-Rätin Petra Weber. CSU-Rat Hans Seidl, Sprecher der Bürgermeister im Landkreis, forderte zu einem "vernünftigen Mittelweg" auf. Es handle sich jetzt um eine Krisenzeit von zwei Jahren, so Seidl. Wenn die Pandemie vorüber sei, dann werde ein "weltweiter Konsumhunger" bestehen.

Germering

Die einwohnerstärkste Kommune des Landkreises investiert auch in den kommenden Jahren eine Menge Geld. Knapp 124 Millionen Euro will Germering bis einschließlich 2024 ausgeben. Der allergrößte Teil davon wird in Schul- und Kita-Gebäuden verbaut. Das ist nötig, weil die Stadt einen steten Zuzug von Familien verzeichnet und etliche Schulbauten in die Jahre gekommen sind. Die Stadt gibt also viel Geld aus, muss aber dennoch Projekte schieben, weil wegen der Pandemie die Einnahmen nicht so hereinkommen werden, wie sich die Politiker das noch Ende 2019 gedacht haben. Betroffen vom Aufschieben ist das Lehrschwimmbecken, das an das Hallenbad angebaut werden soll. Das Schwimmbecken war Bestandteil der Wittelsbacher Schule, für deren Erweiterung musste es weichen. Nun fehlt das Geld, etwa 4,7 Millionen Euro. Ein Angebot an weiteren Schwimmkursen wird es vorerst also nicht geben. Nicht Pflicht, sondern Kür ist auch die Umwandlung des ehemaligen Kasernengeländes zu einem Freizeit- und Kulturareal. Auch dieses nicht nur von Künstlern und Sportlern erwartete Projekt wird geschoben. In den kommenden Jahren wird aber weitergeplant.

Puchheim

In den Vorjahren nahm die Kommune jeweils mehr als 40 Millionen Euro an Einkommens- und Gewerbesteuer ein und zählte damit zu den reichsten im Landkreis. Für die kommenden Jahre erwartet Kämmerer Harald Heitmeir deutlich weniger. Von einer Verschiebung von Projekten mag in Puchheim dennoch keiner reden. Das liegt daran, dass einige dicke Posten Pflichtprogramm sind, wie Brandschutz und Sanierung der Mittelschule (22 Millionen) sowie Sanierung und Erweiterung der Laurenzer Schule im Altdorf (20 Millionen). Auch bei der Erweiterung des Schwimmbads (15 Millionen) soll es bleiben. Bleibt das Mammutprojekt Umbau der Ortsmitte (40 Millionen), das drei Neubauten für Bibliothek, Volks- und Musikhochschule umfasst. Es soll aber "nicht richtig verschoben" werden, wie der Kämmerer betont, man werde wohl noch einmal über einzelne Posten diskutieren. Etwa über das Raumprogramm oder die Keller, die wegen des hohen Grundwasserstandes in Puchheim teuer ausfallen.

Verschoben werden können einige Straßenprojekte, wie die Sanierung des Laurenzer Weges, oder der behindertengerechte Zugang zum Friedhof Schopflach, ebenso der barrierefreie Umbau der Bushaltestellen, für die in den nächsten zwei Jahren mehr als eine halbe Million vorgesehen waren.

Olching

Kämmerer Robert Schuhbauer kann Erfreuliches berichten: "Mir ist eigentlich keine Maßnahme erinnerlich, die wir coronabedingt in der Finanzplanung verschoben hätten." Doch dann fällt ihm doch eine Kleinigkeit ein: "Einzige Ausnahme wäre die Toilettensanierung im zweiten Stock im Rathaus." Nun hatte Olching den Vorteil, dass alle wichtigen Investitionen schon vor Corona angelaufen und viele Maßnahmen zum großen Teil bereits finanziert sind. So muss die Stadt für den Bau der Grundschule Graßlfing nur noch 3,8 Millionen Euro aufbringen; auch der städtische Wohnungsbau und die Kita am Großen Berg (5,7 Millionen Euro), der Breitbandausbau (zwei) oder der Bau des Wohn - und Geschäftshauses am Nöscherplatz (zwei) sind gesichert. Ebenso die Investitionen ins Feuerwehrwesen bis 2024 in Höhe von gut zehn Millionen Euro. Alle Projekte zusammen kosten der Amperstadt bis 2024 immerhin 29,3 Millionen Euro. Das erfordert ein Abschmelzen der Rücklagen bis auf ein Minimum von etwa 500 000 Euro und eine Rekordverschuldung von etwa 1100 Euro pro Kopf. Die Beträge haben jedoch nur Bestand, wenn die kalkulierten Einnahmen aus der Gewerbesteuer von jährlich zehn Millionen Euro auch so fließen, wie Schuhbauer es prognostiziert und coronabedingte Verlustrückträge der Olchinger Firmen ausbleiben. Schon länger diskutierte Projekte, wie den Neubau des Olchinger Feuerwehrhauses und die Sanierung des bestehenden Rathauses oder gar dessen Neubau, harren auch weiterhin einer Entscheidung.

Gröbenzell

Der Gemeinderat hat den Haushalt für das laufende Jahr noch nicht beschlossen. Wie Kämmerer Gregor Kamp erläutert, hat die Gemeinde bereits im Vorjahr durch Einsparungen die Weichen in die richtige Richtung gestellt. "Wir haben letztes Jahr besser abgeschnitten als gedacht", mit dazu beigetragen habe ein unerwarteter Überschuss bei der Gewerbesteuer sowie die rasche Reaktion des Gemeinderats, der bereits im April 2020 Einsparungen in vielen Bereichen auf dem Weg brachte. Auf diese Weise konnte dem Kämmerer zufolge auf rund eine Million Euro bei Sach- und Dienstleistungen verzichtet werden, stets unter der Maßgabe der Vertretbarkeit. Es gab beispielsweise keine nennenswerten Neuanschaffungen bei der Möblierung, und auch durch nicht ausgezahlte Gehälter für Posten, die 2020 nicht neu besetzt werden konnten, ist der Etat deutlich besser durch das Pandemie-Jahr gekommen, als es der Kämmerer zunächst erwartet hatte. Sogar auf einen bereits eingeplanten Kredit über knapp acht Millionen konnte verzichtet werden. In diesem Jahr wird das aber notwendig sein. Kamp geht davon aus, dass auch die zweite, geplante Kreditaufnahme in Höhe von 2,3 Millionen Euro - beide hat der Gemeinderat bereits 2020 bewilligt - in diesem Jahr benötigt wird. Denn das neue Rathaus, das voraussichtlich in den nächsten Monaten bezugsfertig sein wird, muss fertiggestellt werden, und das kostet Geld. Ähnlich wird es auch mit den beiden anderen größeren und beschlossenen Investitionen sein. "Es gibt kein großes Thema, das wir verschieben", - freilich immer vorbehaltlich der Gemeinderatsbeschlüsse, betont er. Doch nach seiner Einschätzung macht es keinen Sinn, Projekte wie die geplante Kindereinrichtung an der Augsburger/Ecke Zweigstraße oder die Aussegnungshalle, die bereits seit vielen Jahren renoviert werden soll, jetzt auf Eis zu legen. In der Regel würde das die Kosten unterm Strich nur weiter in die Höhe treiben.

Maisach

Von der an sich dringenden Sanierung ihres Rathauses haben sich die Maisacher erst einmal verabschiedet. Ein bis zu zweistelliger Millionenbetrag wäre nötig, um all die Um-und Anbauten zu planen und zu errichten, die eine moderne Gemeindeverwaltung so braucht. Der Gemeinderat hat in diesem Fall entschieden, das Projekt zu verschieben. In anderen Fällen aber soll nicht gespart werden. Das betrifft vor allem die Verlegung des Freibades. Wenn der SC Maisach von seine bisherigen Standort auf das einst für die Trabrennbahn vorgesehene Gelände umzieht, würde die Gemeinden gerne einen Teil des Grundstücks für das Freibad haben. Auch weitere Nutzungen kann man sich da vorstellen. Zum Beispiel eine weiterführende Schule und wichtige Infrastruktureinrichtungen.

Damit das auch in den kommenden Jahren finanziert werden kann, sind weiter solide Steuereinnahmen nötig. Darauf verweist Kämmerin Angelika Braunmüller und erinnert an ihre Ankündigung während der Haushaltsberatungen, die Einnahmeseite genau zu beobachten. Ein erster Hinweis darauf, welche wirtschaftlichen Auswirkungen Corona auf die Maisacher Unternehmen hat, zeige sich frühestens zum Ende des ersten Halbjahres. Schon im Mai werde es eine Steuerschätzung geben. Wichtig ist vorerst, dass Maisach seine laufenden Kosten im Verwaltungshaushalt decken kann. Zwei Millionen Euro aus den Rücklagen müssen das entstandene Defizit ausgleichen. Dafür aber ist in diesem Jahr keine Neuverschuldung nötig.

Eichenau

"Wir werden mit einem blauen Auge davonkommen", sagt Eichenaus Kämmerer Alexander Zydek über die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Haushalt der Gemeinde. Die weniger gezahlte Gewerbesteuer im vergangenen Jahr sei ausgeglichen worden, so dass kein Kredit nötig geworden sei. Für dieses Jahr geplante Projekte mussten nicht verschoben werden. Ohnehin ist der Etat "nur von Pflichtaufgaben geprägt", wie der Kämmerer die Ausgaben für die Erweiterung der Starzelbachbachschule und des Horts nennt. Die dreieinhalb Millionen Euro in diesem Jahr für die laufenden Bauarbeiten sind gesichert, auch die 4,3 Millionen Euro sowie die restlichen 800 000 Euro in den kommenden beiden Jahren wird die Gemeinde aufbringen können. In Kürze will Zydek dem Gemeinderat die Jahresrechnung für 2020 vorlegen. Dann wird er aber nicht nur Erfreuliches berichten: Wegen der staatlichen Geldspritze im vergangenen Jahr sei die "Finanzkrise der Kommunen in diesem Jahr in der Öffentlichkeit noch nicht angekommen", sagt Zydek und fordert ein weiteres staatliches Hilfspaket. In Österreich etwa sei so etwas schon verabschiedet worden. "2021 wird Corona voll durchschlagen", nimmt Zydek an. Jetzt wäre es seiner Meinung an der Zeit, die Hilfe für Städte und Gemeinden vorzubereiten und sie ebenso schnell auszuzahlen wie im vergangenen Jahr. Was aus der im Dezember vom Gemeinderat beschlossenen Finanzplanung für die Jahre bis 2024 wird, dürfte erst wieder bei den Etatberatungen für 2022 zur Sprache kommen.

Fürstenfeldbruck

In der Kreisstadt fällt es fast nicht auf: Die Großprojekte Viehmarktplatz und Eishalle werden wegen des geschrumpften finanziellen Spielraums in die Zukunft verschoben. Nicht besonders spektakulär ist diese Erkenntnis deshalb, weil beide Projekte bereits seit sehr vielen Jahren in der Warteschleife hängen und der konkrete Bau immer schon ferne Zukunftsmusik war. In diesem Jahr geht es ohnehin bestenfalls um Pläne und Konzepte. So ist noch nicht klar, wer die sechs Millionen Euro teure Tiefgarage unter dem Viehmarktplatz zahlen soll und welche Geschäftsleute sich überhaupt für die anvisierte Markthalle interessieren. Gleichwohl ist es ein positives Signal, dass auch diese beiden Projekte, ebenso wie alle anderen, nicht komplett gestrichen, sondern lediglich "nach hinten geschoben werden". Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) bestätigt, dass vor allem die Eishalle dieses Jahr "erst mal raus" ist. Gemeinsam mit den Stadtwerken als möglichen Betreiber könne man sich das im Herbst aber möglicherweise wieder anschauen, die Planungen könnten im Idealfall dann im kommenden Jahr fortgesetzt werden. Mit weiteren Gutachten wird sich der Fachausschuss wohl bereits im April beschäftigen. Auch die auf knapp neun Millionen Euro veranschlagte Erweiterung des Rathauses wird sich wohl bis 2024 verzögern. Problematisch ist dies, weil so lange auch das alte Schulgebäude am Niederbronner Weg durch ausgelagerte Rathausbüros blockiert bleibt, das Grundstück in zentraler Lage also so lange nicht neu bebaut werden kann.

Nicht gar so eilig ist es mit dem etwa zwölf Millionen Euro teuren Umbau der Philipp-Weiß-Schule. So lange bei den potenziellen Wohngebieten Am Krebsenbach und auf dem ehemaligen Gelände der Firma Grimmplatten wenig vorangeht, besteht dort kein durch steigende Schülerzahlen bedingter Handlungsdruck. Mit dem Wohnungsbau wird es nach Einschätzung Raffs in den Jahren bis 2025 vorangehen, die Schulerweiterung läge somit auch im Zeitraum 2024 bis 2026 noch gut im Plan.

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Quelle:
SZ vom 06.03.2021
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