Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Wohltuend realistisch

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E-Carsharing ist eine Alternative für Zweit- oder Drittwagen

Von Stefan Salger

Carsharing? Tolle Sache, weil Autos meistens eh nur rumstehen und gemeinsames Nutzen intelligent ist. Elektroantrieb? Damit fährt man emissionsfrei - jedenfalls wenn man nicht den Atomstrom-Kohle-Mix vieler Anbieter tankt, sondern seine Energie mit Solarzellen auf dem Garagendach erzeugt. Klingt toll, ist aber letztlich kaum mehr als tolle Theorie. Und doch spricht vieles dafür, dass genau die Kombination der beiden jeweils unzulänglichen Konzepte, wie sie Fürstenfeldbruck nun prüfen lässt, einer (von vielen weiteren!) Schritten nach vorne sein könnte.

Dafür spricht der realistische Ansatz des Planers, der das Konzept im Auftrag der Stadt ausarbeitet. Als Alternative fürs Erstauto werde eine Familie das kaum akzeptieren, räumt dieser ganz offen ein. Denn Elektroautos sind teuer und angesichts mäßiger Reichweiten und lückenhafter Ladeinfrastruktur greifen die Autofahrer mit Blick auf lange Fahrten und Urlaubsreisen letztlich doch lieber zu "bewährter" Technik - Feinstaubbelastung in Innenstädten hin oder her. Gerade der realistische Ansatz, dass das E-Carsharing eher eine Alternative für Zweit- oder Drittwagen ist, lässt darauf hoffen, dass hier nicht ein Konzept für Herrn Mustermann mit reiner Klima-Weste eingeführt werden soll, das zwar Umweltdogmatiker aufjubeln lässt, aber im Alltag scheitert. Wohltuend ist also, dass auf eine Missionierung der Autofahrer offenbar verzichtet wird und Stadt und Stadtwerke selbst vorangehen. Während rein private oder gewinnorientierte Carsharing-Anbieter bei ausbleibendem Erfolg in den ersten Jahren zu schnell das Handtuch werfen, ermöglicht dies einen langen Atem.

Wichtig für ein solches Konzept ist, dass es von den Bruckern als attraktiv, unbürokratisch und kostengünstig wahrgenommen wird. Schöne Nebeneffekte: Das System kann peu à peu an die Nachfrage angepasst werden. Und wenn sich ein Mobilitätsmix als alltagstauglich erweist (Nutzung je nach Bedarf von Klein-oder Lieferwagen, Fahrrad, E-Bike oder auch Bus und Bahn), dann könnte sich letztlich auch der eine oder andere Erstwagen doch noch als verzichtbar erweisen.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2017
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