Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Was zu beweisen war

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Das Innenministerium gibt zu, dass nach Fertigstellung des zweiten Tunnels in München weniger S-Bahnen im Berufsverkehr fahren. Tunnelgegner haben dies befürchtet

Von Peter Bierl

Wer sich morgens in eine voll besetzte S-Bahn quetscht oder auf dem Bahnsteig friert, weil kein Zug kommt, kann sich bei der CSU bedanken sowie bei ihren Helfern aus SPD und FDP. Sie haben den Ausbau des S-Bahnnetzes im Großraum München vermasselt, insbesondere dadurch, dass sie ein umstrittenes Milliardenprojekt forcierten. Die Warnung, der zweite Tunnel werde andere kleinere Bahnprojekte kannibalisieren und den Pendlern sogar manche Verschlechterung bescheren, hat das bayerische Innenministerium im neuen Fahrplankonzept bestätigt.

Dass in Zukunft auf allen drei S-Bahn-Linien im Landkreis ein 15-Minuten-Takt gelten soll, ist zweifelsohne eine Verbesserung - bloß nützt das vielen Pendlern nichts, die am Morgen zur Arbeit in die Stadt müssen. Ausgerechnet für diesen Zeitraum entschwindet der Zehn-Minuten-Takt für dicht besiedelte und stadtnahe Orte wie Bruck und Puchheim in weite Ferne oder wird sogar wieder abgeschafft, etwa für Freiham, Harthaus oder Esting. Tausenden von Pendlern, die dort wohnen, bringt es herzlich wenig, wenn Expresszüge aus dem Umland vorbeirauschen.

Ein Haufen Geld wurde über die Jahre für allerlei Planungen und Gutachten verplempert, die in Aktenordnern verstauben. Einwände und Vorschläge wurden regelmäßig von Experten aus Behörden und Bahn AG sowie Berufspolitikern abgebügelt, zuletzt die Kritik an Innenminister Joachim Hermann (CSU), der uns allen Ernstes weißmachen will, ein drittes Gleis bis Eichenau würde ausreichen, um Fern-, Regional- und Güterverkehr sowie S-Bahnen zu bewältigen.

Genauso absehbar war, dass Kapazitäten, die durch die Elektrifizierung der Strecke Geltendorf-Lindau entstehen, nicht ausgeschöpft werden können, solange zwischen Pasing und Geltendorf ein Engpass besteht. Es ist eine Mischung aus Großmannssucht, Ignoranz und Dilettantismus, die zu dieser Situation geführt hat. Daran wird sich nichts ändern, solange sich keine breite Protestbewegung formiert.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2017
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