Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Wahlkampf der Schlagworte

Je näher die AfD der Kommunalpolitik kommt, desto eher droht ihr die Demaskierung

Von Stefan Salger

Auf Bundesebene genügen der Alternative für Deutschland (AfD) die Themen Flüchtlinge und Migration. Andere Themen wirken da wie Feigenblätter, um die gähnenden Leerstellen zu kaschieren. Die AfD kann sich das offenbar leisten. Es gibt augenscheinlich genügend Wähler, die verunsichert genug sind oder den etablierten Parteien ihre Stimme aus Protest verweigern. Je näher die AfD aber der Kommunalpolitik kommt und damit in Zugzwang gerät, konkrete Lösungsvorschläge für alltägliche Probleme jenseits des Themas Migration zu liefern, desto eher droht ihr die Demaskierung und desto weniger helfen steile Thesen und einfache Wahrheiten weiter. Am 14. Oktober steigt die AfD mit Blick auf den bayerischen Landtag und den Bezirkstag von Oberbayern nun ein paar Sprossen auf der politischen Leiter herab. Dabei offenbart sich das inhaltliche Defizit immer deutlicher. Bietet der irrlichternde Horst Seehofer bei seinen bisweilen bizarr anmutenden Alleingängen bei der Flüchtlingspolitik oder im Fall Maaßen noch reichlich Angriffsfläche, so lassen sich die Wähler so auf Dauer nicht blenden. Vor allem dann nicht, falls die AfD künftig auch in Kreis-, Stadt- oder Gemeinderäten Fuß fassen will. Mit ein paar griffigen Schlagworten ist es dann nicht mehr getan. Gefragt sind konstruktive Alternativvorschläge - nebst schlüssigen Finanzierungskonzepten.

Dass viele AfD-Politiker da noch großen Nachholbedarf haben, hat sich beim Auftritt in Fürstenfeldbruck gezeigt: Heike Themel, die in den Bezirkstag will, redete viel über ihre Privatfehde mit Facebook und wenig über Vorschläge, über die dieses Gremium entscheiden kann. Daran änderte auch die pauschale Kritik nichts, dass bei ärztlicher Versorgung, Schulsanierung oder Kindergartenplätzen nichts passiere. Die beiden Landtagskandidaten ernteten zwar höflichen Applaus, aber ebenfalls fragende Blicke. Ingo Hahn weiß zwar, wogegen er ist: Windräder, die zu viele Fledermäuse das Leben kosten, sowie Biogasanlagen. Als Alternative nennt er höchst wolkig "einen Energiemix". Das hieße dann wohl weiter so, mit Kohle und Öl Richtung Erderwärmung und mit Kernenergie in eine strahlende Zukunft. Für einen Geografen schon eine erstaunliche Sichtweise. Ähnliches Bild bei Edeltraud Schwarz. Jenseits des auf Plakate gedruckten Slogans "Heimat, Freiheit, Sicherheit" erfährt man nicht viel. Ihre abgelesene Rede kreist immer wieder einzig und allein um den Begriff "Heimat".

Immerhin eine Überraschung gibt es dann doch noch: Ausgerechnet Jörg Meuthen, der einen Ruf als Hardliner genießt, bekennt sich ausdrücklich zur "freiheitlich demokratischen Grundordnung". Auf der Basis könnte man aufbauen.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2018
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