Kommentar:Tabuisierter Schmerz

Das Thema Gewalt gegen Frauen muss endlich ins öffentliche Bewusstsein

Von Jamila Christians

Die Zahlen der Fürstenfeldbrucker Beratungsstellen sprechen eine deutliche Sprache. Sie geben klar zu verstehen, dass sich auf gesellschaftlicher und politischer Ebene noch viel ändern muss. Wie kann es sein, dass nicht jede misshandelte Frau Hilfe im Brucker Frauenhaus finden kann? Weil die Plätze nicht reichen oder das Geld fehlt. 232 Frauen aus dem Landkreis ist es im vergangenen Jahr so ergangen. Es ist ein Affront gegen alle, die der Gewalt ausgesetzt sind und waren. Es ist eine Schande, dass die Mitarbeiter der Hilfsvereine an ihre Grenzen kommen und trotzdem nicht genug tun können. Wieso verschließt man die Augen, nach dem Motto: Ein Problem, dass man nicht sieht, existiert nicht. Wo bleibt der Aufschrei? Zu langsam vollzieht sich der Bewusstseinswandel, viel zu oft wird noch weggesehen, kaum gekämpft. Die #MeToo - Debatte trägt sicherlich dazu bei, sie reicht aber noch lange nicht aus, um Ignoranz und Tatenlosigkeit zu überwinden.

An alten Rollenbildern wird selten gerüttelt. Wir leben nun mal in einer Männer-dominierten Welt. Daran ändern auch Gleichstellungsbeauftragte und Weltfrauentag nichts. Frauen werden in den vielfältigen Situationen, in denen Ungleichheit herrscht, klein gehalten, einer gewissen Gewalt ausgesetzt. Frauen fällt es schwer, sich dagegen zu wehren. Selbst der Kampf um ein gerechtes Gehalt ist schwierig, oft unmöglich. Wie heikel ist es aber erst, sich der körperlichen und psychischen Gewalt eines geliebten Menschen zu entziehen? Genau deshalb sind Hilfestellungen, Rückzugsorte und Beratungsstellen zwingend erforderlich.

Die Institutionen benötigen dringend die finanziellen Mittel, um betroffene Frauen systematisch zu unterstützen, damit Frauenhäuser und Beratungsstellen die Schutzsuchenden nicht wieder nach Hause schicken müssen. Noch mehr, die öffentliche Debatte muss aufrechterhalten werden. Das Thema muss jeden Tag ernst genommen werden, weil es allein im Landkreis pro Jahr mehrere hundert Frauen gibt, die von ihrem Partner geschlagen, bedroht oder sexuell missbraucht werden. Die Aufmerksamkeit soll nicht erst dann geweckt sein, wenn es wieder einmal zu spät ist.

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