Kommentar:Steaks im Minutentakt

Metzger verdienten eine größere Wertschätzung

Von Erich C. Setzwein

Fleisch ist ein Stück Lebenskraft" heißt der 1967 erfundene und bis dato unverwüstliche Slogan der Agrarmarketinggesellschaft CMA für das Fleischerhandwerk. Wie aber diese Lebenskraft zustande kommt, woher die Fleischstücke stammen, die allabendlich in die Pfannen geworfen werden, darüber machen sich immer weniger Menschen Gedanken. Sollte man vielleicht auch besser nicht, wenn Supermärkte und Discounter mit Preisen für Wurst und Fleisch werben, die pro Kilo billiger sind als das Hundefutter drei Regale weiter. Auskunft könnte der Metzger oder die Fleischereifachverkäuferin geben, die ihr Handwerk gelernt haben. Doch die Zahl derer, die sich in eine solche Ausbildung begeben wollen, nimmt stark ab, und damit in Zukunft auch die Zahl derjenigen, die die Kunden beraten.

Damit bleibt es dem Konsumenten allein überlassen, sich über das Angebot zu informieren. Wer dann in Fürstenfeldbruck, Germering oder Mammendorf an der Kühltruhe oder in der Schlange vor der Fleischtheke steht, wird das nehmen, was auf den ersten Blick den besten Eindruck macht und am leichtesten zuzubereiten sein wird. Der Ausdruck "Minutensteak" charakterisiert das wohl am besten. Dass es sich dabei dann um saft- und kraftlose Stücke handelt, scheint die Kunden nicht zu stören. Das nutzt die Fleischindustrie aus und offeriert Produkte, die nicht dazu geeignet sind, den einstigen Slogan der Metzger auch heute noch zu erfüllen.

Mit weniger Angebot und Beratung verliert auch die älteste Kulturtechnik der Menschen an Wert: Das Kochen wird zu einem ungeliebten und achtlosen Akt heruntergestuft. Dabei geht der Respekt verloren vor dem für das Steak geschlachteten Lebewesen, vor dem jahrelang erarbeiteten Wissen und der schweren körperlichen Leistung der Fleischer sowie letztlich vor dem Verzehr eines feinen Lebensmittels. Wenn heute Metzger ihre Läden zusperren, ist das schade und hat damit zu tun, dass der Preisdruck zu groß ist oder es keine Nachfolger gibt. Sie geben aber auch auf, weil sowohl ihrem Handwerk als auch ihren Produkten immer weniger Wertschätzung entgegengebracht wird.

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