Kommentar:Populistische Anwandlungen

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Ungerechttigkeiten durch Straßenerschließungsbeiträge gehören beseitigt. Aber auf die Abschaffung der Kosten für die Anlieger zu dringen, ist Wahlkampfgetöse von CSU und Freien Wählern

Von Peter Bierl

Dass Anlieger einen Teil der Baukosten ihrer Straße bezahlen müssen, in Wohngebieten sogar den Löwenanteil, löst regelmäßig Ärger aus. Das Konfliktpotenzial ist hoch, Auseinandersetzungen können manchmal ziemlich ausufern. Der Streit um eine Straße in Grafrath trug 2002 mit zur Abwahl des Bürgermeisters bei. Im Prinzip ist die Verteilung aber richtig: Wer den größten Nutzen aus einer Straße zieht, soll dafür auch bezahlen. Je größer der Durchgangsverkehr, desto mehr muss die Kommune übernehmen, also die Allgemeinheit der Steuerzahler.

Die Bürger sollten deshalb den wahlkampftaktisch und populistisch motivierten Anwandlungen von Freien Wählern und CSU widerstehen, die diese Beiträge komplett abschaffen oder ins Belieben der jeweiligen Kommune stellen wollen. Das wäre eine Umverteilung der Last von den Grundeigentümern auf die Öffentlichkeit. Kommunen könnten im Fall der Wahlfreiheit unter Druck gesetzt werden. Der dämpfende Effekt der Selbstbeteiligung auf jene Zeitgenossen entfiele, die völlig überzogene und ökologisch noch schädlichere Luxusausbauten verlangen, solange sie nicht die Rechnung begleichen müssen.

Richtig ist, dass Ungerechtigkeiten beseitigt werden, etwa im sogenannten Ersterschließungsrecht. Dass eine Kommune mit der Abrechnung trödelt oder diese absichtsvoll verzögert und Jahrzehnte später eine Rechnung samt nagelneuen Straßenlampen oder Radwegen als Ersterschließung präsentieren kann, ist unmöglich. Es ist kein Ruhmesblatt, wenn die Stadt Germering bei der Hälfte aller Straßen in einem ganzen Viertel aus den Sechzigerjahren nicht zu Potte gekommen ist. Kommunen sollten aber auch nicht in Torschlusspanik versuchen, das Geld jetzt noch einzutreiben

Der bayernweite Schlussstrich ist jedoch halbherzig, weil nur Altfälle ab 1996 betroffen sind. Weiter offen bleiben die Fälle von Straßen, die zwischen der Spätphase der Postkutschenära und dem Bau der Berliner Mauer begonnen wurden. Für Juristen mögen das rechtshistorische Schmankerl sein, tatsächlich aber ist das ein alter Zopf, der abgeschnitten werden sollte.

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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