Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Populist im Juristen-Pelz

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Jeden Asylbewerber pauschal als Neubürger zu bezeichnen, ist unglücklich. Mit seiner Kritik an der Formulierung der Flüchtlingshelfer versucht sich Tomas Bauer allerdings lediglich zu profilieren

Von Florian J. Haamann

Mit einem hat der Olchinger CSU-Stadtrat Tomas Bauer recht: Es ist unglücklich, jeden Asylbewerber als "Neubürger" zu bezeichnen, wie es in der Einladung zu einer Info-Veranstaltung zur Situation der Flüchtlinge steht. Denn faktisch sind die Asylsuchenden natürlich weit davon entfernt, den Bürgerstatus zu erlangen. Dass sie keine (Neu-)Bürger im juristischen Sinn sind, ist allerdings auch den Verfassern der Pressemittelung bewusst. Vielmehr ist die verunglückte Verwendung des Begriffs wohl vor allem symbolisch. Sie soll ausdrücken, dass die Flüchtlinge willkommen sind, dass man sie als Teil der Gesellschaft und des Ortes versteht und nicht als lästige Fremdkörper. Und genau diese Geste attackiert Bauer mit seiner Kritik. Unter Aufbietung zahlreicher populistisch-rhetorischer Tricks schwankt er über den schmalen Grat zwischen dem Schüren flüchtlingsfeindlicher Ängste und berechtigter Kritik.

So schreibt er, dass "in der Regel nur wenige" ein Asylrecht bekommen und "schon mehr" eine begrenzte Duldung. Bei Bauer klingt das, als ob nur ein Bruchteil der Asylbewerber unter diese Regelungen fällt, die Flüchtlingshelfer aber am liebsten alle Illegalen sofort mit Bürgerrechten ausstatten wollen. Faktisch wurde im Jahr 2016 übrigens in 62,4 Prozent der bearbeiteten Anträge eine zumindest temporäre Schutzbedürftigkeit festgestellt. Endgültig auf rechte Abwege gelangt Bauer, wenn er mit Blick auf die Formulierung "Neubürger" fragt: "Ein Fauxpas überschießenden Gutmenschentums oder gezieltes politisches Framing?" Da Bauer mit seinem Text den "richten Sprachgebrauch", wie es in der Überschrift heißt, anmahnt, kann man davon ausgehen, dass er "Gutmenschentum" ganz bewusst gewählt hat. Einen Begriff also, der von Rechtsaußen verwendet wird, um Flüchtlingsbefürworter als naiv und dumm zu diffamieren, und in der Version "Gutmensch" zum Unwort des Jahres 2015 gekürt wurde. Und so bleibt von Bauers Statement am Ende nicht mehr, als der Versuch, auf Kosten der Asylhelfer das eigene Profil zu schärfen und den zur AfD abgewanderten Wählern zu zeigen, dass auch die CSU ihre Sorgen versteht.

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Quelle:
SZ vom 31.01.2017
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