Kommentar:Pflichtaufgabe für den Staat

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Der Weiße Ring hat politische Erfolge vorzuweisen. Er sollte auch vom Staat unterstützt werden

Von Ariane Lindenbach

Wenn alle den Täter jagen, wer bleibt dann beim Opfer? Diese Frage hat vor 40 Jahren zur Gründung des Weißen Rings in Deutschland geführt. Jener ehrenamtlichen Organisation, die sich seither für die Belange der Opfer von Straftaten einsetzt, etwa durch die Übernahme der Kosten für eine erste Beratung beim Anwalt. Im Landkreis gibt es einen lokalen Ableger der Opferhilfe seit etwa zwei Jahrzehnten.

Die Notwendigkeit einer derartigen Einrichtung erklärt sich bei einem Blick auf das deutsche Strafrecht von selbst. Der oder die Täter stehen - wie der Initialsatz zur Gründung des Weißen Ringes zeigt - im Fokus der Strafverfolger, also von Polizeibeamten und Staatsanwaltschaft. Und damit auch im Fokus der Berichterstattung sowie letztlich in den Köpfen der Menschen. Die unmittelbar von der Straftat Betroffenen kommen in diesem System nur am Rande als Zeugen vor. Sie werden von den Strafverfolgern zur Straftat befragt, wobei Zeit, Ort und Art der Befragung wiederum von diesen bestimmt werden. Rücksicht auf die Bedürfnisse der Opfer zu nehmen, etwa indem weibliche Polizisten die Aussage eines Vergewaltigungsopfers aufnehmen, wurde in diesem auf die Strafverfolgung fokussierten System zunächst völlig außer Acht gelassen.

Es ist sicher ein Verdienst des Weißen Rings mit seinen deutschlandweit 3200 Ehrenamtlichen, dass es seit 1986 in Deutschland ein Opferschutzgesetz gibt. Oder dass inzwischen selbstverständlich Polizistinnen für weibliche Opfer respektive Zeuginnen zur Verfügung stehen. Oder dass bei Gerichtsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern darauf geachtet wird, die minderjährigen Opfer möglichst schonend zu befragen, etwa im Zwiegespräch mit dem Ermittlungsrichter in dessen Zimmer anstatt im Gerichtssaal mit allen Prozessbeteiligten und den Zuhörern. Bislang finanziert sich der Weiße Ring durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Es wird höchste Zeit, dass auch der Staat Geld gibt.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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