Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Nur Interesse an Großprojekten

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Kleine Verbesserungen für die Pendler haben keine Chance. Sie taugen nicht für Spatenstiche, Selbstbeweihräucherung und schöne Bilder

Von Peter Bierl

Die Pyramiden zeugen bis heute von der Größe der Pharaonen, nicht eine Küchenzeile in deren Palast. Bis heute funktioniert Politik nach diesem Muster: klotzen und nicht kleckern, die Zeche zahlen sowieso andere. Das erklärt vielleicht, warum die Passagiere der Bahn im Landkreis dauernd das Nachsehen haben. Vor einem Vierteljahrhundert wurde der viergleisige Ausbau der S 4 versprochen und dem äußersten Nordwesten ein Stundentakt. Weder das eine noch das andere wurde verwirklicht, noch ist eine Realisierung in absehbarer Zeit zu erwarten. Was die Pendler im Nordwesten betrifft, ist die Sache noch ärgerlicher, denn dort wurde die Bahnlinie bis 2008 tatsächlich viergleisig ausgebaut, aber die Kapazitäten reichen anscheinend trotzdem nicht.

Wenn die Landräte der Region jetzt Visionen für die Zukunft der S-Bahn haben, fällt einem dazu das böse Wort von Helmut Schmidt ein. Denn zu allererst wird in München für sehr viel Geld ein tiefes Loch für eine Art Bypass gegraben, der die anfällige, zentralistische Struktur der Münchner S-Bahn zementiert. Freilich: Ein Spatenstich für ein solches Mammutprojekt, ein Richtfest und eine feierliche Eröffnung eines solchen Projekts machen mehr her, als ein paar kleinere, unspektakuläre, aber günstigere und effektive Maßnahmen hier und da.

Den Pendlern im Nordwesten als auch entlang der S 4 wäre genau damit kurzfristig gedient. Beide Strecken haben ein Nadelöhr, das bei Pasing liegt. Für die S 4 ist es ein mehrere hundert Meter langer Abschnitt stadteinwärts, wo für alle S-Bahnen, Regional- und Fernzüge nur ein Gleis zur Verfügung steht. Vor diesem Engpass kommt es immer wieder zu Staus, die nicht nur Pendler aus dem Landkreis treffen, sondern ins gesamte S-Bahnsystem hineinwirken. Für den Nordwesten ist es der Umstand, dass in Pasing nur ein Bahnsteig für sämtliche Regional- und Fernzüge aus dem Westen zur Verfügung steht, und das auf einer Strecke, die als gesamteuropäische Magistrale gilt. Aber bloß ein einziges Gleis verlegen oder einen schnöden Bahnsteig bauen zu lassen, ist vermutlich zu poplig und widerspricht der Megatonnen-Ideologie, die die Verantwortungsträger beseelt.

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Quelle:
SZ vom 24.04.2017
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