Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Mangel an Courage

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Der Erfolg von Ruftaxen und Bussen im Landkreis lässt andere kühne Ideen wie eine Trambahn zu

Von Peter Bierl

Versteckt und begraben in der Struktur- und Potenzialanalyse des Landkreises findet sich die Idee, zwischen den Bahnhöfen von Bruck und Gernlinden eine Trambahn zu bauen. Das wäre ein hervorragendes Transportsystem vor allem für Tausende von Menschen, die einst auf dem Gelände des Fliegerhorsts wohnen und arbeiten sollen. Ganz am Rande einer Pressekonferenz erwähnte Erich Raff (CSU), damals noch Zweiter Bürgermeister von Bruck, dass er so eine Straßenbahn gut fände. Aber weder er noch sein Hauptkonkurrent von den Grünen propagierten diesen Vorschlag im Wahlkampf.

Eine Trambahn ist keine neue oder revolutionäre Idee, aber kein Politiker scheint die Courage zu haben, offensiv für ein bequemes und umweltfreundliches Massenverkehrsmittel zu werben. Das ist ebenso bedauerlich wie typisch auch für andere Politikfelder. Man muss sich nicht wundern, dass Wahlbeteiligungen sinken, wenn Kandidaten bloß Kompetenz reklamieren, statt zu zeigen, worin sie bestehen könnte. Zaudernde Politiker und Parteistrategen könnten sich darum ein Beispiel an dem neuen MVV-Ruftaxi-System des Landkreises nehmen, das nach nur zwei Jahren alle Erwartungen sprengt.

Das regionale System aus Bussen und Ruftaxen ist einer der wenigen effektiven Beiträge zum Klimaschutz, die der Agenda-21-Musterlandkreis erbringt, und einer der wenigen Aktiva einer Energiewende, die die Kreispolitiker vor Jahren stolz verkündet haben, ohne zu überlegen, wie das überhaupt in einem Landkreis funktionieren könnte, dessen Wirtschaft und Einwohnerzahl ohne Ende wachsen soll.

Selbstverständlich kann ein gutes regionales ÖPNV-System nicht die Defizite ausgleichen, die die Autoparteien verantworten, und die sich in den Unzulänglichkeiten der Bahn zeigen. Aber dieses System zeigt, dass auf lokaler Ebene etwas verbessert werden kann. Der Erfolg von Ruftaxen und Bussen beweist, dass viele Menschen bereit sind, auf das Auto zu verzichten, wenn sie eine Alternative haben. Die Bremser, Bedenkenträger und Lobbyisten der Autoindustrie, die stets vor Geisterbussen warnten, sind widerlegt. Daran gilt es anzuknüpfen.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2017
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