Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Kultur unter unseren Füßen

Vielerorts werden die Bemühungen um die Heimatgeschichte von Ehrenamtlichen getragen. Diese brauchen mehr Unterstützung aus der Politik

Von Erich C. Setzwein

Woher komme ich, wohin gehe ich, wo gibt's die nächste Halbe? Nett, wenn man über solche Sprüche schmunzeln kann, aber bis auf die Frage nach dem Getränk kann man das Ganze auch ernsthaft sehen. Was war vor uns in diesem Landstrich, wer ist in den Jahrhunderten zuvor durchgezogen, ist vielleicht geblieben und hat Zeugnisse hinterlassen? Und wer kümmert sich darum, dass die Jahrtausende bis Jahrhunderte alte Kultur unter unseren Füßen erforscht und das Wissen weitergegeben wird?

Es sind, wie in vielen anderen Bereichen, ehrenamtliche Vereinsmitglieder, an Archäologie und Geschichte interessierte Menschen, die ihre Freizeit sinnvoll nutzen, indem sie dem nachspüren, was gewesen ist. Die natürlich auch von professionellen Grabungsteams unterstützt werden, keine Frage. Aber die doch im Wesentlichen ihre private Zeit einem höheren kulturell-gesellschaftlichen Ziel widmen. Herausgehoben unter all den Heimatforschern sei an dieser Stelle der Historische Verein Fürstenfeldbruck, der vor nun schon zwei Jahren mit einer bis dahin einzigartigen archäologischen Ausstellung vorbildliche Arbeit geleistet hat.

Dafür braucht es aber auch ein Bewusstsein und durchaus selbstkritische Fragen nach der eigenen Herkunft und damit auch nach der Identität. Nur lässt sich leider seit einigen Jahren feststellen, dass viele Menschen überhaupt keinen Bezug mehr zu den historischen Wurzeln haben, das Fach Heimatkunde auch nicht mehr im Unterricht angeboten wird. Alle reden nur noch von "dahoam", aber die Geschichte des eigenen Landkreises, ja ihres Wohnortes ist ihnen egal. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass es wenige Heimatmuseen gibt, die, wie etwa in Germering, qualifiziert und doch leicht verständlich Auskunft geben über Leben, Gesellschaft und Kultur in der Vergangenheit. Das Kleinod Jexhof mag ein wenig angestaubt wirken, aber im Bauernhofmuseum wird auf drastische Weise deutlich, dass es die verklärte gute alte Zeit gar nicht gab.

Weil in fast jeder Gemeinde immer irgendwas ausgegraben wird, sollten die Funde auch im Ort an geeigneter Stelle präsentiert werden, um identitätsstiftend wirken zu können. Es wäre wünschenswert, wenn der Geist der ehrenamtlichen Geschichtsforscher sich auch in der Kommunalpolitik breit machen könnte. Denn nur wer weiß, wo er herkommt und wo er hinwill ...

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Quelle:
SZ vom 12.05.2021
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