Kommentar:Ignorant gegenüber der Geschichte

Die vergangene Diskussion über die NS-belasteten Straßennamen in Bruck ist der passende Abschluss einer peinlichen Debatte

Von Peter Bierl

Der Streit um die Zusatztafeln für NS-belastete Straßennamen in Bruck ist der passende Abschluss einer peinlichen Debatte, in der die Beteiligung am größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte von Leuten wie Klaus Quinten (BBV) oder Klaus Wollenberg (FDP) mit der Erfindung von Kabinenroller und Mondlandung verrechnet wurde. Geschenkt, dass Wernher von Braun sich bloß zum Vater des Apollo-Programms stilisieren konnte, weil er das erforderliche Wissen als Erfinder von Massenvernichtungswaffen gesammelt hatte. Während der Germeringer Stadtrat 1996 zwei Namen nach vergleichsweise kurzer Debatte demontierte, stellte die Brucker Ratsmehrheit im Verlauf eines sechsjährigen Gehampels neun Namensgebern einen Persilschein aus. Die übrigen acht bekommen Infotafeln, deren Inhalte als faule Kompromisse verharmlosend wirken. Was Quinten als Pioniertat rühmt, strotzt vor Auslassungen.

Es fehlt, dass Paul von Hindenburg strammer Monarchist und Antidemokrat war, dafür wird er dem Leser als "Sieger von Tannenberg" präsentiert. Das wäre ebenso erklärungsbedürftig wie die Legion Condor, bei der es sich nicht um eine Airline handelt, sondern um jene Wehrmachtseinheit, die das spanische Guernica in Schutt und Asche legte. Die Tafel zu Julius Langbehn kommt ohne den Begriff Rassismus aus, bei General Emil Zenetti fehlt, dass er als Vorbild "auf dem Gebiet der nationalsozialistischen Führung" ausgezeichnet wurde und als Kommandeur einer Regierungstruppe mitverantwortlich war für das Blutbad in München im Frühjahr 1919 mit etwa tausend Toten.

Bei Wernher von Braun wird die Mitgliedschaft in der NSDAP verschwiegen. Von einer "Aktion Vernichtung durch Arbeit" im KZ Dora-Mittelbau ist die Rede, aber die gab es nicht. Vielmehr war es eine Strategie der Nationalsozialisten in allen Todeslagern, die Opfer durch Schwerstarbeit und Hunger zu dezimieren. Schlimmer als eine vermeintlich mangelhafte Lesekompetenz, die Quinten der Jugend oberlehrerhaft unterstellte, ist die Ignoranz der Silberrücken gegenüber der deutschen Geschichte.

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