Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Auslaufmodell Einfamilienhaus

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Die Bürgerinitiative in Puchheim hat Recht: Eine zweite Planie braucht es nicht. Aber drei Geschosse sind zu wenig

Von Stefan Salger

Wer in der Münchner Region in einem Einfamilienhaus lebt, der kann sich glücklich schätzen. Vor allem in den Städten ist dies ein Auslaufmodell. Denn gerade dort übersteigt die Nachfrage sehr deutlich das Angebot. In einer Marktwirtschaft bedeutet das ohne Intervention zwangsläufig steigende Preise. Ein Mietendeckel ist hier bestenfalls eine Notlösung auf Zeit, weil er keine Anreize für den zusätzlichen Bau von Wohnungen gibt. Nur einen praktikablen Weg gibt es, um Normal- und Geringverdiener nicht zu Opfern eines Verdrängungswettbewerbs zu machen: Bauen, bauen, bauen! Auch die Städte und Gemeinden selbst müssen endlich wieder vorangehen beim sozialen Wohnungsbau, den sie in den zurückliegenden Jahrzehnten so stiefmütterlich behandelt haben. Stattdessen wurde sogar noch das Tafelsilber verhökert, so wie dies die Staatsregierung vor acht Jahren mit der Wohnungsbaugesellschaft GBW getan hat, die auch im Landkreis zahlreiche Wohnungen besaß.

Eine weitere Zersiedelung der Landschaft gilt es zu vermeiden, auch um den Individualverkehr zu reduzieren. Mit Blick auf den Klimawandel und die damit einhergehende steigende Hochwassergefahr verbietet es sich freilich ebenso, in den Innenstädten alle Freiflächen zuzubetonieren. Es bleibt also letztlich nur die Stellschraube der Effizienz: Schließen von Baulücken, Ausbau von Dachgeschossen, kleinere Wohnungen intelligenter nutzen - und das maßvolle Wachstum in die Höhe bei Neubauten.

In Puchheim regt sich nun Widerstand dagegen. Die Bürgerinitiative hat ja recht, wenn sie sich gegen eine Art zweite Planie wehrt. Zentren von Großstädten vertragen solche zwölfgeschossigen Hochhäuser, aber für Kommunen wie Puchheim sind sie wohl eine Nummer zu groß. Die BI will nun eher die Festlegung auf eine Nummer zu klein: Sie will die Höhe im nördlichen Neubaugebiet auf drei Geschosse deckeln - und nimmt damit den Architekten vorschnell den Spielraum für ein in den Höhen differenziertes, stimmiges Konzept. Werden Freiräume und Grünflächen erhalten, dann sind ein oder zwei Geschosse mehr möglicherweise gut verträglich. Die Nachbarn haben einen Anspruch darauf, in die Planungen eingebunden zu werden und konstruktiv mitarbeiten zu dürfen. Rote Linien und unverrückbare Bedingungen sind da eher hinderlich.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2021
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