Kommentar:Abwiegeln statt aufklären

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Im Skandal um die Tierquälerei im Schlachthof dauert es Tage, bis die Verantwortlichen einräumen, dass die Fimaufnahmen aus Fürstenfeldbruck stammen. Durch dieses Mauern und Abwiegeln, also das katastrophale Krisenmanagement, ist der Karren erst richtig in den Dreck gefahren worden.

Von Stefan Salger

Im zweiten Buch Samuel ist zu lesen, wie der spätere König David reagierte, als er vom Tod König Sauls in der Schlacht am Berg Gilboa erfuhr: Er ließ den Überbringer der Nachricht erschlagen. Ähnlich reagierte Aztekenherrscher Montezuma, als ihm von den nahenden Spaniern berichtet wurde. Die Überbringer schlechter Nachrichten zu töten, war eine Zeit lang recht beliebt. Heute läuft das nicht ganz so blutig ab. Aber jenseits origineller Anekdoten nimmt man das Trauerspiel rund um den Schlachthof eher fassungslos zur Kenntnis.

Sogar Landrat Thomas Karmasin, dem man durchaus ein ausgeprägtes politisches Gespür bescheinigen kann, geriet da anfangs auf den von König David und Montezuma ausgetretenen Pfad. Als er um eine Stellungnahme zu den per Video dokumentierten Aufnahmen gebeten wurde, gab es kein Wort des Entsetzens über die dort sichtbare Tierquälerei. Statt dessen beschränkte sich der Landrat auf die Klage, die Soko Tierschutz habe illegale Aufnahmen geliefert. Zu prüfen ist natürlich immer zu allererst, ob ein Video authentisch ist oder es sich um eine Fälschung handelt. Hier gab vor allem die Führung des Schlachthofs kein gutes Bild ab, räumte sie doch erst nach mehreren Tagen ein, was ihr längst klar gewesen sein muss: Natürlich sind die Bilder im Brucker Schlachthof aufgenommen worden.

Bleibt also der Umstand, dass die Aufnahme in der Tat ohne Erlaubnis angefertigt worden ist. Was aber wäre, wenn man mit dem Argument "unrechtmäßig zustande gekommen" alle inhaltlichen Vorwürfe ignoriert, so wie dies die Spitze des Schlachthofs und der Landrat viel zu lange getan haben? Was ist mit CDs mit den Namen und Daten von Steuersündern? Was ist mit den Panama-Papers? Was ist mit den - nicht immer gesetzeskonformen Veröffentlichungen von Whistleblowern wie Edward Snowden? Hätte man da sagen sollen - illegal, also wird es nicht verwendet?

Durch katastrophales Krisenmanagement ist der Karren erst richtig in den Dreck gefahren worden. Es wurde gemauert und abgewiegelt statt schnellstmöglich aufzuklären und Missstände im System offen anzugehen. Dadurch wurde aus dem - möglicherweise - nicht tolerierbaren Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter im Verlauf eines Jahres erst der Skandal. Sehr bedauerlich für die unbescholtenen Mitarbeiter und die Kunden des Schlachthofs, die einen Neuanfang verdient haben.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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