Etwas ungewöhnlich ist es schon, durch ein riesiges Scheunentor in einen Gerichtsaal zu kommen, der von Ackergeräten flankiert ist. Setzt man sich und richtet den Blick auf den betagten Schreibtisch mit „Rechtsbüchern“ darauf, auf das Pult und die Bänke davor, die in fahles Licht getaucht sind, erzeugt dies eine Ahnung. Aber spätestens, wenn man an der mit einem schwarzen Tuch verdeckten Bretterwand das Bildnis von Prinzregent Luitpold von Bayern, entdeckt, hat jeder der 60 Besucher der Premiere auf dem Bauernhofmuseum Jexhof Gewissheit: Hier wird das Königlich bayerische Amtsgericht nach oft zum Schmunzeln und Lachen anregenden Verhandlungen fragwürdige, aber klischeehaft in die verklärte Prinzregentenzeit passende Urteile fällen.
Amtsdiener Pfingstl, hervorragend interpretiert von Ludwig Gruber, der selbst in einen Fall verwickelt ist, stimmt ein in die „liebe, gute alte Zeit vor anno 14“, wie es im Vorspann zur gleichlautenden Fernsehserie heißt. „Das Bier war noch dunkel, die Menschen war’n typisch, die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam und die Honoratioren ein bisserl vornehm und ein bisserl leger. Es war halt noch vieles in Ordnung damals, denn für Ordnung und Ruhe sorgte die Gendarmerie und für Gerechtigkeit das Königliche Amtsgericht“, gilt es. Als dann der Amtsgerichts-Landler ertönt und der Richter eintritt, heißt es, sich ehrfürchtig von den Plätzen zu erheben. Weil das nicht alle tun, gibt es Rüffel vom Richter, den Burkhard Kück, und in einem Fall Gerhard Jilka, bravourös verkörpern.
Das ungewöhnliche Ambiente passt zu der ebenso ungewöhnlichen Aufführung, die das Grafrather Rassoburg-Theater mit Unterstützung des Jexhof-Fördervereins im Rahmen des Theatersommers im Stadel des Bauernhofmuseums mit großer Leidenschaft spielt. Angeleitet von Regisseur, Schauspieler, Synchronsprecher und Sänger Jilka bringen acht Amateure eine unterhaltsame und höchst amüsante Interpretation des Fernseh-Klassikers auf die Bühne.
Selbstverständlich wird „kraftbayrisch“ gesprochen, außer vom Justizrat und Anwalt (Markus Weimann), der in „Amtsdeutsch“ immer wieder dazwischenredet, und außer vom „Saupreißn“, einem preußischen Leutnant, überzeugend dargestellt von Andreas Dracopoulos. Er muss sich allerhand bayerische Bosheiten anhören, ganz besonders vom Bürgermeister (Sepp Heldeisen), wenn der in Raserei gerät, weil der Leutnant nicht zugeben will, den „Kini“ beleidigt zu haben. Als Zeuge gibt Heldeisen indes in einem anderen Verfahren den Schüchternen und Unwissenden.
Zur Verhandlung kommen drei Fälle: „Die Dachserin“ (Ludwig Thoma), sowie „Der Querschläger“ und „Majestätsbeleidigung“, (beide Andreas Kern). Die Inhalte sind vielen bekannt: dass die zum Bleichen ausgelegte Wäsche von der Nachbarin mit Ruß beschmutzt wird, dass ein sich unbeabsichtigt lösender Gewehrschuss den Großknecht trifft, damit ihm Heiratsträume vergehen, und im dritten Fall, dass ein preußischer Leutnant Ludwig II. einen „blöden König“ nennt. Bekannt ist auch, dass es vor Gericht gut ausgeht.
Die spannenden, stets die Lachmuskeln strapazierenden Verhandlungen kennt, so wie die Theatergruppe sie vorzüglich präsentiert, jedoch niemand. Sie sind aber das „Salz“ der Aufführungen, von dem vor allem die „Weibsbilder“ in ihren Rollen viel verstreuen. Corinna Reischl, Heike Maltan und Lucia Graf präsentieren sich in glanzvollen, teils deftigen, wortgewaltigen Dialogen, jede ganz individuell und zuweilen zu Lasten der Richternerven. Und so füllt sich die Amtskasse nach und nach mit Ordnungsgeld in Höhe von fünf Mark pro Mahnung, man möge sich doch gewählter ausdrücken, nicht aggressiv reagieren oder einfach nur den Mund halten, wenn man nicht dran ist.
Weitere Vorstellungen finden am 7., 13., 14 und 15. Juni jeweils um 19.30 Uhr auf dem Jexhof statt.