Bei vielen Menschen läuten die Alarmglocken, wenn sie hören, was dem Klimaschutz dient: Ein Linsenbratling statt Rindfleisch auf dem Burger. Mit dem Bus zum Supermarkt statt mit dem Auto. Die Angst, auf etwas verzichten zu müssen, etwas zu verpassen oder eingeschränkt zu sein, ist in den Köpfen der Menschen präsent, erklärt Christian Ader, Leiter des Kurses Klimafit der Volkshochschule Germering. So präsent, dass es sie davon abhalte, Veränderungen zuzulassen, auch wenn es sich um ein offensichtlich dringliches Problem wie den Klimawandel handelt. Vier Wochen lang führte der Diplombetriebswirt 20 Teilnehmer durch einen Lehrgang, der sich damit beschäftigte, wie man seinen eigenen, aber auch den ökologischen Fußabdruck seiner Mitmenschen positiv verändern kann. Der 48-Jährige ist sich sicher, dass sich die meisten Deutschen des Klimawandels und dessen Folgen bewusst sind, aus Egoismus oder Angst jedoch nichts verändern wollen. Die Teilnehmer seines Kurses seien schon einen großen Schritt weiter.
Am letzten Kursabend sitzen alle Beteiligten im Obergeschoss der Stadthalle Germering zusammen und analysieren die Klima-Challenge, an welcher sich 13 der 20 Kursmitglieder beteiligt haben. Deutschlandweit versuchen Menschen umweltschonende Verhaltensweisen in ihren Alltag zu integrieren und erfassen dies über eine Webseite. Der Germeringer VHS-Kurs konnte innerhalb der vier Wochen zweieinhalb Tonnen CO₂ einsparen. „Das ist eine ganze Menge“, so der 48-jährige Leiter. Für viele sei die Challenge aber keine echte Herausforderung gewesen. Der ökologische Fußabdruck der Kursteilnehmer ist ihm zufolge sowieso überdurchschnittlich gut. Die meisten Teilnehmer sind Rentner. Das Besondere: Alle sind sich ausnahmslos der Realität des Klimawandels und dessen Auswirkungen bewusst, viele leben bereits seit Jahrzehnten umweltfreundlich. „Wir haben eine sehr aufgeklärte Gruppe. Deswegen ist das primäre Ziel dieses Kurses auch nicht unbedingt die Wissensvermittlung“, so der Kursleiter.
„Ich habe viele neue Sachen über unsere Stadt gelernt“, sagt Teilnehmerin Barbara Hundshammer. Die 63-jährige Germeringerin ist seit mehr als 40 Jahren Teil der Klimabewegung. Erst jetzt habe sie verstanden, warum einige Maßnahmen schlichtweg nicht umsetzbar sind. Beispielsweise der Bau einer Windkraftanlage, die sich laut Pascal Luginger, Klimaschutzbeauftragter der Stadt Germering, nur schwer realisieren lasse. „Es ist frustrierend zu sehen, dass auch den Städten die Hände gebunden sind“, so die Rentnerin.
„Man kann auch vegetarischer essen. Es muss nicht immer gleich vegane Ernährung sein“
Der Schwerpunkt des Kurses liegt auf Möglichkeiten, aktiv zu werden. „Das beinhaltet sowohl die Verbesserung des eigenen Fußabdruckes als auch die versuchte Einflussnahme auf den der Mitmenschen“, erklärt der 48-Jährige. Der ökologische Fußabdruck, den ein jeder durch sein Verhalten hinterlässt, wurde durch die Klima-Challenge betrachtet. Über vier Wochen hinweg versuchten die Teilnehmer ihre Emissionen und somit ihren Abdruck zu verringern. Dafür legte der Kursleiter besonderes Augenmerk auf Verhaltensweisen, mit denen wirklich spürbar CO₂ eingespart wird. Und welche nur einen geringen Beitrag leisten, aber mit einem hohen gefühlten Verzicht einhergehen.
Der Wechsel auf Ökostrom bewirkt mehr als der Verzicht auf Fleisch
Dass 13 Menschen zweieinhalb Tonnen Kohlenstoffdioxid einsparen konnten, lässt sich Ader zufolge erklären: „Ausschlaggebend war, dass drei von uns ihren Stromanbieter gewechselt haben. Sie beziehen jetzt erneuerbare Energien.“ Aber auch die Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln haben einen großen Unterschied gemacht. Der Wechsel des Stromanbieters spare viel mehr Kohlenstoffdioxid ein, als sich vegetarisch zu ernähren und sei für die Menschen um einiges leichter anzunehmen. Wichtig sei, nicht schwarz und weiß zu denken. „Man kann auch vegetarischer essen. Es muss nicht immer gleich die extreme vegane Ernährung sein.“
„Wir alle müssen als Multiplikatoren fungieren“
Ader sagt: „Man muss sein Umfeld immer wieder mit dem Thema Klimaschutz konfrontieren.“ Aggressiv sollen diese Hinweise aber keineswegs sein. „Viele haben schon von Grund auf eine Abwehrhaltung gegenüber umweltfreundlicheren Angewohnheiten“, sagt Dominik Schenk, 35. Er und seine Frau Inka Schenk sind die jüngsten Teilnehmer des Kurses. Sie hätten schon oft erlebt, wie emotionalisiert das Thema Klimaschutz ist. „Die meisten haben Angst vor dem ganz großen Schritt. Man muss in kleinen Stufen denken“, so die 33-Jährige. Hundshammer sagt: „Eingefrorene Verhaltensweisen kann man nur schwer verändern.“ Vor allem, wenn ein Mensch mit Verzicht oder einem gefühlten Verlust konfrontiert werde. Das Wissen über den Klimawandel alleine reiche nicht. „Das Wissen sollte eigentlich vorhanden sein, wird aber von der Befürchtung, etwas zu verpassen, überschattet“, erklärt der Kursleiter.
„Die Veränderung muss grundsätzlich von innen kommen“, so Ader. Durch stetes Ansprechen seines Umfeldes könne man diesen Wandel von außen unterstützen. Genau das erwartet der Kursleiter von seinen Teilnehmern. „Wir alle müssen als Multiplikatoren fungieren“, so Inka Schenk. Alle Anwesenden sind sich einig: Ist die Verlustangst erst einmal überwunden, ist ein großer Schritt in Richtung Klimaschutz geschafft. Und vielleicht bestellen dann mehr Menschen Burger mit Linsenbratlingen, fahren mit dem Bus zum Supermarkt oder wechseln ihren Stromanbieter.