Süddeutsche Zeitung

Kirche in Bayern:Die letzten Nonnen verlassen Fürstenfeldbruck

162 Jahre lang haben die Niederbronner Schwestern Kranke gepflegt, sich um Kinder und Senioren gekümmert und eine Hauswirtschaftsschule geführt. Warum ihre Geschichte nun endet.

Von Andreas Ostermeier

In diesen Tagen endet in der Kreisstadt eine 162 Jahre alte Geschichte. Die Niederbronner Schwestern verlassen das Theresianum. Seit 1859 haben Ordensfrauen sich um die Pflege von Kranken und Alten gekümmert, Kinder erzogen und Hauswirtschaft gelehrt. Nun fehlt es an jungen Schwestern, die die Arbeit weiterführen können. Drei der letzten vier Niederbronner Ordensfrauen sind selbst über 80 Jahre alt und haben ihren Ruhestand verdient. Den werden sie im Kloster Sankt Josef in Neumarkt in der Oberpfalz begehen. Oberin Klara Sexlinger, sie ist 59 Jahre alt, wird ins Kloster und Pflegeheim Sankt Barbara in Österreich umziehen.

"Es ist schwer, eine 162-jährige Tradition beenden zu müssen. Generationen von Schwestern lebten und arbeiteten hier im Theresianum. Sie gehörten zum Stadtbild", sagt die Oberin zu den Folgen der Entscheidung, die Schwestern aus Fürstenfeldbruck abzuziehen. Nach Fürstenfeldbruck gekommen sind die karitativen Ordensfrauen laut der Aufzeichnungen des Theresianums durch die Vermittlung von Bürgermeister Johann Baptist Miller und Pfarrer Johann Gunzlmann. Aus dem Vincentinum, dem ersten Senioren- und Pflegeheim in München, wo Niederbronner Schwestern bereits wirkten, kamen Oberin Maria Stanislaus und zwei weitere Schwestern in die damalige Marktgemeinde Bruck und übernahmen die Krankenpflege in der Klinik an der Josef-Spital-Straße. Auch in der Pflege von Kranken, die zuhause lebten, waren die Ordensfrauen tätig.

In den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts entstand durch Aus- und Umbau eines Stadels in der Kirchstraße Wohnraum für die Schwestern. Der dazu gehörende Neubau wurde 1932 fertig und als Theresianum eingeweiht. In dem Neubau fanden die Schwestern Wohnungen, daneben fungierte das Gebäude als Alters- und Ledigenheim, zudem zogen eine ambulante Krankenpflege und eine Schule für Hauswirtschaft ein. Bis 1979 kam zeitweilig auch ein Kindergarten in dem Haus unter. In diesem Jahr wurde das Gebäude um den Westflügel erweitert und zum heutigen Alten- und Pflegeheim ausgebaut.

Dieses Haus verlassen die letzten Niederbronner Schwestern nun. Insgesamt, so heißt es aus dem Theresianum, haben in den mehr als 150 Jahren 427 Schwestern in Fürstenfeldbruck gelebt und sich um andere Menschen gekümmert. Die gemeinnützige Gesellschaft der Schwestern vom Göttlichen Erlöser, so der offizielle Name, bleibt allerdings Träger des Hauses. Der Orden hat derzeit weltweit etwa 1000 Mitglieder. Gegründet wurde er 1849 in Niederbronn im Elsass von Mutter Alfons Maria Eppinger. Die Gründerin sowie ihre ersten Mitstreiterinnen kümmerten sich bereits vor der Ordensgründung um einsame und kranke Menschen sowie um Familien in Schwierigkeiten.

Bei der offiziellen Verabschiedung der letzten Schwestern dankte Fürstenfeldbrucks Oberbürgermeister Erich Raff den Ordensfrauen: "Sie haben in Fürstenfeldbruck Unglaubliches geleistet." Raff erinnerte an die Eröffnung des Theresianums im Jahr 1932, auf dem Höhepunkt von Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit. Provinzoberin Barbara Geißinger berichtete aus den Aufzeichnungen des Ordens, in denen von einem holprigen Start die Rede ist, weil seinerzeit das Ordinariat skeptisch gewesen ist, ob die im Elsass ausgebildeten Schwestern in Oberbayern Fuß fassen könnten. Dass diese Bedenken grundlos gewesen sind, dafür ist die lange Geschichte der Niederbronner Schwestern in Fürstenfeldbruck ein Beweis. Zum Abschied ließen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung 162 bunte Luftballons in den Himmel steigen.

Auf das Geschehen im Jahr 1859 nahm Oberbürgermeister Raff Bezug. Er verabschiedete die Ordensfrauen mit einem Korb voll von regionalen und Brucker Spezialitäten. Damit reagierte er auf den Bericht über die Ankunft der Helferinnen. Von der Bevölkerung hätten die Schwestern zur Begrüßung viele Lebensmittel geschenkt bekommen, heißt es in der Chronik des Theresianums über die Anfangszeit der Niederbronner Schwestern in der Kreisstadt.

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SZ vom 14.07.2021
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