Süddeutsche Zeitung

Kinderliteratur:Die abenteuerliche Reise des kleinen Hasen

Um die Kinder in ihrer Nachbarschaft während der Pandemie aufzumuntern, hat die Grafratherin Simone Schmid eine Tiergeschichte geschrieben. Die Resonanz war so gut, dass sie daraus nun zusammen mit Mona Ragheb ein illustriertes Kinderbuch gestaltet hat

Von Florian J. Haamann, Grafrath

Weder Schnee und Kälte noch ein hässlicher Holzkopf konnten die 80-jährige Simone Schmid davon abhalten, ihr Herzensprojekt umzusetzen: Aus einer Geschichte, die sie zu Beginn der Pandemie für die Kinder des Ortes geschrieben hat, ein kleines, illustriertes Büchlein zu machen. Nun hat sie es im Selbstverlag in einer Auflage erst einmal 200 Exemplaren gedruckt und kann so das Ergebnis eines aufregenden Prozesses in den Händen halten.

An Ostern hat sie ihre Geschichte vom kleinen Hasen, der von zuhause ausbüchst und auf seiner Reise nach Grafrath viele neue Freunde kennenlernt, erstmals öffentlich vorgelesen, aus ihrem Garten, mit Mikrofon und Lautsprechern, damit möglichst viele Nachbarskinder sie hören können. Als im Sommer dann regelmäßig kleine Kulturveranstaltungen vor dem Rathaus möglich waren, hat Schmid auch dort gelesen. "Die Leute sind auf mich zugekommen und haben mir erzählt, wie gut die Geschichte angekommen ist, und gesagt, dass ich da doch ein Bücherl draus machen müsste", sagt Schmid. Eine der Zuhörerinnen war die Illustratorin Mona Ragheb. Auch sie ist auf Schmid zugegangen. "Sie hat mich gesagt, dass sie sofort Bilder zu einzelnen Stellen im Kopf gehabt hat." Als Schmid dann für einen Monat ins Krankenhaus und auf Reha musste, haben sich die beiden weiter ausgetauscht, Ragheb hat Schmid immer wieder neue Skizzen geschickt.

Stück für Stück hat sich so die Idee zu dem kleinen Bilderbuch entwickelt. Nach Schmids Rückkehr haben die beiden sich dann getroffen. Was allerdings gar nicht so einfach war, wegen der im Winter noch geltenden strengen Kontaktbeschränkungen. Also haben sich die beiden im Freien getroffen, an der Bushaltestelle bei der Kirche in Unteralting. "Es war schon kurios. Da stehen zwei Bänke, ein Tisch und ein wirklich furchtbar hässlicher Holzkopf. Mit Bürste und Schaufel haben wir alles vom Schnee befreit, es war eiskalt. Es war schon eine schizophrene Situation, wir sind da in der Kälte gesessen, haben recht gelacht und uns die Bilder auf ihrem Laptop angeschaut."

Eine der ersten Skizzen, die Ragheb gezeichnet hat, zeigt den Hasen und seine tierischen Freunde bei einer Floßfahrt auf der Amper. Den die gehört zu den Abenteuern, die sich Schmid für ihre Figuren ausgedacht hat. Ausgerissen ist der Hase, weil seine Mutter ihn ständig ermahnt dies und das zutun. Auf dem alten Hacklhof, der in der Nähe von Schmids Zuhause steht, trifft er die Bewohner, Hunde, Katzen, Pferde - und Sternschnuppenkinder, die auf die Erde gekommen sind, weil es ihnen im All langweilig geworden ist. Der Hase lernt, dass momentan nirgends Menschen sind, weil eine Pandemie die Welt im Griff hält. Spaß haben die Tiere trotzdem, bis die Sternschnuppen eines Tages zurück in den Himmel müssen. Dann wacht auch der kleine Hase auf und merkt, dass er alles nur geträumt hat.

Genau wie ihr Protagonist hat auch Schmid auf dem Weg von der Geschichte zum Buch einige neue freundliche Bekanntschaften gemacht. "Ein Hindernis war, dass wir in einem Bild einen Bus mit dem Logo des FCB-Bayern hatten", sagt die Autorin. Also habe sie bei der Rechtsabteilung des Vereins gefragt, ob sie das Logo verwenden dürfe, hat das Bild und die Textstelle dazu geschickt. "Zwei Tage später habe ich eine ganz, ganz lieb geschrieben Antwort bekommen. Die Frau aus der Rechtsabteilung hat geschrieben, wie tief sie die Geschichte ins Herz getroffen hat und das wir das Logo natürlich gerne verwenden dürfen."

Als nächstes habe sie dann die Geschichte des Busses verfolgt. "Ich habe rausgefunden, dass das ein Fanbus aus dem Westallgäu ist und immer wenn die Bayern in München spielen, machen die hier Mittagspause auf dem Weg." Also hat Schmid auch die Schriftführerin des Fanklubs angeschrieben. "Sie ist Kindergärtnerin und hat das Büchlein gleich ihren Kindern vorgelesen. Denen hat es so gut gefallen, dass sie die Geschichte am nächsten Tag gleich noch einmal hören wollten."

Als die Idee der Veröffentlichung näherkam, hat Schmid dann einen kleinen Verlag angeschrieben, von dem sie in der Zeitung gelesen hatte. "Der Nam e hat mir so gut gefallen: Butterblume. Dort habe ich mit einem jungen Mann gesprochen, der sehr interessiert war, aber die Geschichte nicht drucken konnte, weil der Verlag so klein ist, dass er nur ein Buch pro Jahr macht. Aber er hat gesagt, er finde die Geschichte wunderschön und dass sie sich sicher auch gut als Hörspiel oder Theaterstück eigenen würde, erzählt Schmid. Seitdem treibt sie die Idee um, ihre Geschichte auch auf die Bühne zu bringen. Vielleicht ja auf dem Jexhof, der mit seinen Tieren auch eine Station auf der Reise des Hasens ist.

Dieses Abenteuer ist dabei nicht das erste, das Schmid als Buch herausbringt. 1990 hat sie im Verlag von Sepp Raith den Gedichtband "Kreuz und Gewehr" veröffentlicht und im Zuge der 1050-Jahrfeier des Grafen Rasso hat sie sich von alten Grafrathern, den Ureinwohnern, wie sie sie nennt, Geschichten erzählen lassen, die dann unter dem Titel "Rund um den Rasso" erschienen sind. Das Schreiben sei schon immer ihre Leidenschaft gewesen, eine Zeit lang hat sie als freie Autorin für die Süddeutsche Zeitung gearbeitet, bevor sie in die Firma ihres Mannes eingestiegen ist. Bis heute schreibt sie regelmäßig Beiträge für die Ausstellungskataloge am Jexhof. Auch im aktuellen Band zur Lichtspiele-Ausstellung ist einer ihrer Texte zu finden, in dem sie ihre persönlichen Kinoerlebnisse festgehalten hat. Ihr Beitrag zur Ausstellung zum Nationalsozialismus hat dazu geführt, dass sie in Grafrath einen Stolperstein verlegen ließen.

"Das Schreiben liegt mir also immer noch am Herzen. Aber ich denke mit dem Büchlein ist Schluss, ich bin jetzt 80 geworden", sagt Schmid. So richtig mag man ihr das allerdings nicht abkaufen. Immerhin gibt es zumindest noch die Idee mit dem Theaterstück und auch sonst wirkt Schmid nicht so, als ob ihre kreative Phase vorbei ist. Am Samstag, 3. Juli, jedenfalls wird sie erst einmal von 16 Uhr an vor dem Grafrather Rathaus eine Lesung veranstalten. "Ich lese Texte bayerischer Autorinnen, da sind sehr schöne Geschichten dabei. Jetzt, wo es wieder geht, fangen wir wieder mit der Reihe an."

"Die Sternenkinder auf dem Alten Hackl-Hof", erhältlich bei Simone Schmid per Mal an Simone-willy.schmid@t-online.de

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SZ vom 30.06.2021
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