Süddeutsche Zeitung

Kinderbetreuung:Hören auf die Empörten

Das Fernsehmagazin "Quer" des Bayerischen Rundfunks lässt in Olching Betroffene zu Wort kommen, die höhere Kindergartengebühren zahlen sollen

Von Karl-Wilhelm Götte, Olching

Kinder kommen immer gut. Gerade auch im Fernsehen. Die Sendung "Quer" des Bayerischen Rundfunks macht in ihrem fünfminütigen Beitrag über die beabsichtigte Erhöhung der Kita-Gebühren in Olching umfassend davon Gebrauch. "Was wichtig ist, ist uns teuer", führt der Moderator passend ein. Gefilmt wird auf Kinderspielplätzen und immer wieder beherrschen spielende Kinder das Bild. Dazwischen kommen Mütter und Vorstandsmitglieder des Olchinger Gesamtelternbeirats zu Wort, die die geplanten deftigen Erhöhungen der Elternbeiträge heftig kritisieren.

"Es lohnt sich nicht mehr, wenn die Mutter arbeitet", ist der Tenor. Dann werden die Kita-Beiträge aus Maisach und Gröbenzell angeführt, die wesentlich günstiger sind. Da ist man wohl in Olching am falschen Ort, wenn's fünf Kilometer weiter günstiger ist. Da kann der Olchinger Bürgermeister nur schlecht wegkommen, und das tut er auch. Er wird zweimal kurz eingeblendet und darf in zwei, drei mageren Sätzen die Gebührenerhöhung verteidigen. Doch Rathauschef Andreas Magg (SPD) befindet sich bei fünf, sechs Wortmeldungen seiner Kritikerinnen schon rein zahlenmäßig in der Defensive. Da kommt er auch nicht mehr heraus. Rückblickend wird er bedauern, sich überhaupt zu Wort gemeldet zu haben. Nicht gut ausgeleuchtet, wobei sein Vollbart im Halbdunkel wie schlecht rasiert wirkt, hat der Zuschauer Mühe sich auf den kurzen Inhalt seiner zu konzentrieren.

Da wirken die vom Filmteam befragten Frauen draußen natürlich ganz anders, viel lebendiger und einprägsamer. Zum Schluss sind wieder die lieben Kinder im Bild, die sich nach und nach freundlich hochstrecken. Ob die Olchinger Grünen wussten, welche Botschaft der Quer-Betrag vermittelt? Jedenfalls teilen sie zeitlich parallel mit, dass für sie nur eine Erhöhung auf der Basis der jährlichen Inflationsrate und/oder der Steigerung der Gehälter der Erzieherinnen nach dem Tarif im Öffentlichen Dienst im Frage kommen kann.

Eine Gebührenkalkulation nach der "Vollkostenrechnung" könne nicht Grundlage einer massiven Gebührenerhöhung sein. "Vorschulische Bildung in den Kitas ist ein staatlicher Auftrag und eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die einen hohen steuerfinanzierten Anteil rechtfertigt", schreiben Ingrid Jaschke und Marina Freudenstein für die grüne Stadtratsfraktion und kündigen einen Antrag an.

"Durch unzumutbar hohe Elternbeiträge würden sich vor allem viele Frauen aus dem Berufsleben zurückziehen oder noch mehr in Teilzeit gehen." Kitagebühren dürften Eltern nicht davon abhalten, ihre Kinder in einer Kita anzumelden. Wie wird der Stadtrat auf den Fernsehbericht reagieren? Ignorierend? Man darf gespannt sein, wer sich hinter den Bürgermeister stellt.

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Quelle:
SZ vom 17.01.2022
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