Kabarettist:"Ich wusste immer, was mich erwartet"

Simon Pearce, 2014

Von Anfang an sei er den alltäglichen Anfeindungen vor allem mit Humor begegnet, erzählt Pearce, der vor einigen Jahren von Puchheim nach München gezogen ist.

(Foto: Stephan Rumpf)

Simon Pearce ist in Puchheim aufgewachsen. In seinem Programm "Allein unter Schwarzen"erzählt er auch, wie er dort regelmäßig mit Alltagsrassismus konfrontiert war

Interview von Florian J. Haamann, Puchheim

Eher zufällig ist der gebürtige Puchheimer und Schauspieler Simon Pearce als Kabarettist auf der Bühne gelandet. Doch mit seinem Programm "Allein unter Schwarzen" in dem er über Alltagsrassismus und seine Jugend in Puchheim spricht, hat er sich schnell deutschlandweit einen Namen gemacht. Am Freitag kehrt er nun für einen Auftritt im Puc in seine alte Heimat zurück.

SZ: Herr Pearce, Sie sprechen in Ihrem Programm viel über Ihre Jugend in Puchheim. Waren die Erlebnisse wirklich so schlimm oder ist vieles auch zugespitzt?

Simon Pearce: Erst einmal war natürlich nicht alles schlimm, ich hatte eine schön Jugend in Puchheim. Aber die Geschichten, die ich erzähle, sind schon wahr. Das ein oder andere ist natürlich überhöht oder zugespitzt.

Sie erzählen auch von Kurti, mit dem Sie gearbeitet haben und der - gelinde gesagt - kein positives Bild von Farbigen hatte.

Ich war damals 17 und habe am Wertstoffhof neben dem Gymi gearbeitet, mit Kurti. Und einmal hat er mir wirklich erklärt, dass der Neger ja nur die Grippe, Krebs und Aids über Europa gebracht hat. Da fällt einem auf die Schnelle wirklich nichts mehr ein. Und es war halt auch wirklich so, dass er gesagt hat, dass ich ja kein Neger sei, weil ich quasi seinem Feindbild nicht entsprochen habe. Das ist ja oft so, dass man klare Vorstellungen hat. Beispielsweise, dass der Türke unten am Eck ja nett ist, aber die anderen eben nicht. Die Leute haben Angst vor etwas, was sie noch nie gesehen haben. Und die positiven Beispiel werden dann als Ausnahmen abgestempelt.

Wie geht man als Jugendlicher damit um, wenn man regelmäßig solchen Alltagsrassismus erlebt?

Auch wenn es abgedroschen klingt, aber ich habe es schon immer mit Humor versucht. Zu sagen ich hätte einen Schutzwall aufgebaut, wäre aber übertrieben. Auch wenn ich im Programm erzähle, dass ich keine Freunde gefunden habe, stimmt das so natürlich nicht, ich hatte viele Freunde. Aber ich wusste schon immer, was mich erwartet. Ich war beispielsweise im Fußballverein, beim FC Puchheim. Wenn du dann gegen Mammendorf oder sonst wen spielst, weißt du halt, was die anderen labern. Ich habe dann immer vorher schon zu allen gesagt, grüß dich, ich bin der Neger. Dann konnten sie gar nicht mehr so, wie sie wollten, weil ich ihnen die Sprüche, die sie hinter meinem Rücken ablassen wollten, quasi weggenommen hab.

Wie war es sonst mit den anderen Kindern? Haben die die Vorurteile ihrer Eltern mitgebracht?

Normalerweise überhaupt nicht. Klar erkennen sie, wenn etwas fremd ist, das ist normal. Aber als Kind geht man damit noch ungezwungen um, weil man noch keine Meinung eingeimpft bekommen hat. Eine Geschichte, die ich in meinem Programm erzähle, ist die von meinem Freund Bernhard. Für den war ich quasi auch kein richtiger Neger. Als er dann das erste Mal zu uns nach Hause gekommen ist, stand mein Vater im Garten, so ein richtiger Schwarzer mit nacktem Oberkörper, Glatze und Messer und Hammer in der Hand und hat unsere Hühner geschlachtet. Für Bernhard war das dann schon so, dass er gedacht hat, oh je, die Geschichten stimmen also doch.

Aber er hat sich danach trotzdem noch mit Ihnen ins Haus getraut?

In meiner Geschichte rennt er zwar weinend nach Hause, aber in Wahrheit hat er sich angeblich wirklich rein getraut, wie er mir erzählt hat. Und es stimmt auch, dass er mich viele Jahre später, ich war damals Zivi und wir beide hatten eigentlich nichts mehr miteinander zu tun, nach dem Puchheimer Volksfest vor einer Gruppe Skinheads beschützt hat, die gerade kurz davor waren, mir meine Kauleiste raus zu dreschen.

In Ihrem Programm kommt Puchheim nicht immer gut weg. Haben Sie schon negative Rückmeldungen bekommen?

Nein, gar nicht. Ich erzähle ja auch viel von meinen Eltern, von meinem Papa, dessen Schlachtverhalten der Integration nicht gerade förderlich war. Aber das größere Problem war meine Mama (Schauspielerin Christine Blumhoff, Anm. der Red.). Sie war eine Hippie-Mama, immer ein bisschen revoluzzerisch, eine linke Feministin. Also ganz anders, als man es sich von einer bayerischen Volksschauspielerin erwartet. Sie war die eigentliche Wilde in der Familie.

Als Sie mit dem Kabarett angefangen haben, war Ihnen da gleich klar, dass dieser Alltagsrassismus Ihr Thema sein wird?

Ich wollte halt bei mir bleiben, Geschichten erzählen, die ich auch erlebt habe. Da ist es also gottgegeben, dass ich viel über dieses Thema rede. Weil einfach vieles von dem, was mir passiert, etwa die vielen Polizeikontrollen, mit meiner Hautfarbe zu tun hat. Aber ich will nicht nur auf dieser Ethno-Schiene fahren und das mache ich auch klar. Ich finde es schwach, wenn man nur rumjammert, "nur weil ich schwarz bin". Auch darüber mache ich mich lustig. Weil es zu einfach ist, nur diese Defensivhaltung einzunehmen. Vor allem, weil man selbst auch Vorurteile mit sich trägt.

Welche Vorurteile sind das bei Ihnen?

Ich habe ja auch ein klares Bild von Ostdeutschland. Wenn ich nachts durch Magdeburg laufe, dann habe ich auch Schiss, wenn Leute auf mich zukommen. Da denke ich auch tendenziell, dass das Typen sind, die mir auf die Fresse hauen wollen. In Köln denke ich das nicht. Dabei sagt es halt nichts über einen Menschen aus, wenn er kurze Haare hat und den Dialekt seiner Heimat.

Ist das also wirklich ein reines Vorurteil oder haben Sie da schon Erfahrungen gemacht?

Wenn ich ehrlich bin, dann war es in München, wo ich auf die Fresse bekommen habe und eben nicht in Puchheim oder im Osten. Natürlich bin ich hier geboren und öfter hier unterwegs. Aber ich habe tatsächlich noch nie von einem Ostdeutschen was Blödes gehört. Das heißt, einmal schon, aber das war beim Fußball von einem Dynamo Dresden Fan, das ist etwas Anderes.

Sie arbeiten bereits an Ihrem neuen Programm. Geht es da thematisch wieder in die gleiche Richtung?

Ich will da auf jeden Fall ein bisschen weg. Ich ärgere mich, dass ich mein erstes Programm wie im Wahn runtergeschrieben habe und jetzt eigentlich Stoff für zwei Programme verbraten habe - meine Jugend und meine Zeit in München. Natürlich wird es im neuen Programm auch davon noch Geschichten geben, aber es geht nicht mehr darum. Ich denke, dass es auch etwas politischer wird, auch wenn ich das eigentlich gar nicht will, weil ich mir nicht so zutraue, richtiges politisches Kabarett zu machen. Aber bei der aktuellen Lage, werde ich daran nicht vorbei kommen.

Simon Pearce, "Allein unter Schwarzen", Freitag, 17. Februar von 20 Uhr an im Puc. Weitere Termine und Informationen unter www.simonpearce.de

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