Süddeutsche Zeitung

Kabarett:Pointen im Sekundentakt

Monika Gruber liefert rasanten Auftritt in Germering

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Schon der frenetische Auftrittsapplaus zeigt: Das Publikum in der restlos ausverkauften Germeringer Stadthalle ist an diesem Abend ganz offensichtlich in Erwartung einer "schweinsmäßigen Gaudi" gekommen, und diese Erwartung wird dann auch übermäßig erfüllt. "Die Gruberin" füllt jede Halle. Veranstaltungen mit ihr müssen nicht einmal mehr im Programmheft stehen, sie sind auch so in Windeseile ausverkauft. Die Perfektfehlerfreilautschnellsprecherin wirft in zwei Stunden mit einer Textmasse um sich, die leicht für fünf Stunden reichen würden und mit einer unzählbaren Anzahl von Pointen - manchmal zwei in einem Satz - gespickt sind. Das bayerische Comedy -Urviech springt mit Riesenfreude in jeden Fettnapf, fegt gekonnt jede political Correctness vom Auftrittstisch, der wohl demnächst von ihrem abiturfreien Neffen gediegen handgeschnitzt wird. Sie sagt alles, was gar nicht mehr geht und rückt die Verrücktheiten einer immer komplizierteren und deshalb immer bedrohlicheren Welt auf ein befreiendes "I scheiß' ma nix"-Maß zurecht.

Und dabei lässt sie fast kein Thema aus. "Influenza"? Früher eine Krankheit, heute ein Beruf. Ständig am Handy hängende Eltern? "Red' mit deim Kind, sparst dir später den Logopäden." "Wenn der Kopf a Depp is', muss der Körper büßen", schleudert sie heraus. Gepiercte? "Espressountertassen in die Ohrwaschel". Preußen? "Deutsche mit teilevangelischem Hintergrund." Und darf man überhaupt noch "Führerschein" sagen? Me too? In Schweden sollen Liebende jetzt vor dem Sex besser einen Vertrag aufsetzen, damit es hinterher keinen me-too-Aufschrei gibt? Gruber: "Prima, da scheiden wenigstens die Analphabeten aus."

Politisches Kabarett ist nicht Grubers Sache? Dann doch: "Erdogan ist das osmanische Rumpelstilzchen." Darkrooms haben die Schwulen erfunden, damit man eine Gaudi haben kann, ohne sich das Elend anzusehen. Der gwamperte Opa wird als bewährte Alternative zur modernen Hüpfburg vorgeschlagen. Bei ihrem lauten Aufschrei in den Saal: "Was ist los mit euch, Männer?" nicken viele Frauen verständnisvoll - auch solche, die mit Partner gekommen sind.

Sie hat ja mit so vielem Recht: Die "Eisdiele für Hunde" ist tatsächlich dekadent; gewiss treibt die Psychologisierung und Stilisierung normaler, unliebsamer Lebensereignisse zum "Trauma" absurde Blüten; zu Recht sorgt Grubers witzige Kritik an Wellnesswahn, Thermomix-Euphorie für größtes Amüsement, ihr Plädoyer für gediegenes Bäcker-, Schreiner- und sonstiges Handwerk ist herzerfrischend, und es ist gut, dass sie die Frage stellt, ob eine Hebamme tatsächlich einen Masterstudiengang braucht, um ihren lebenswichtigen Beruf ausüben zu können.

Tatsächlich tut es auch mal gut, wenn einfach mal alles ganz ungeniert durch den Kakao gezogen wird. Der gekonnte verbale Rundumschlag tut auch sichtlich vielen gut, in einer Welt der Optimierung, Reglementierung und Perfektionierung, die angeblich so ideal sein könnte, wenn nur sämtliche Vorgaben befolgt würden - die da lauten: "Du solltest" weniger trinken, "müsstest" mal wieder wellnessen und "darfst nicht" Zigeunerschnitzel sagen. Auch die teils kuriosen Auswüchse von me-too dürfen verarscht werden, weil Gruber mit einem Satz klar macht, dass sexuelle Gewalt ein Unding ist. Auch Greta Thunberg darf verarscht werden, solange deutlich wird: Dieses Mädchen bewirkt Wichtiges.

Aber die kabarettübliche Veganerschelte ohne jeden Hinweis, dass Massentierhaltung Massentierquälerei und eines der größten Umweltprobleme ist, gerät dann leider zur Hetze. Ihre Frage ins Publikum: "Findet ihr auch, dass die Leut' immer blöder werden?" ist problematisch, denn da beklatschen die Leute - ohne es zu merken? - ja auch ihre eigene Doofheit. Unverständlich und unnötig das ebenfalls kabarett-gängige Helene-Fischer-Bashing Grubers. Rückzug ins Private, wie von ihr in einer komplizierten Welt propagiert, ist keine Lösung und auch letztlich nicht möglich. Denn Einmischung wird spätestens dann nötig, wenn sich der von ihr empfohlene Besuch bei der Oma im Seniorenheim als "geriatrischer Vorraum zur Hölle" entpuppt. Gruber beansprucht ihre Besucher vehement und dauerhaft, ist doch das Feuerwerk der Pointen den ganzen Abend über so dicht, dass man noch nicht zu Ende gelacht hat, wenn schon der nächste Knaller folgt.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2019
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