Süddeutsche Zeitung

Kabarett:Balancieren zwischen Klamauk und Kritik

Beim Gröbenzeller "Stockwerk Kultursommer" widmet sich der Kabarettist Wolfgang Krebs wieder der Spitze der bayerischen Politik, wagt aber auch einen Blick aufs Land. Ungeschoren bleibt dabei niemand

Von Florian J. Haamann, Gröbenzell

Es ist schon eine paradoxe Situation. Die vergangenen Monaten mit ihrem Krisenmanagement, politischen Selbstinszenierungen und abgedrehten Verschwörungstheoretikern haben den Kabarettisten soviel Material geliefert, dass sie damit Dutzende Programme füllen können. Nur Auftreten durften sie in dieser Zeit eben nicht. Und so gibt es großen Nachholbedarf, viele Ideenbücher dürften überquellen. Für einen sind die Corona-Monate aber eine besondere Goldgrube gewesen: Wolfgang Krebs, dessen Spezialität die Imitation bayerischer Spitzenpolitiker ist. Und die haben sich ja wirklich ins Zeug gelegt, allen voran Ministerpräsident Markus Söder, der streng kümmernde Bayernvater und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, bei dessen bereits zur Kult gewordenen Kumpel-Rede man nicht sagen kann, ob da wirklich Aiwanger am Mikro war oder Krebs.

In Gröbenzell allerdings konnten sich die Besucher am Samstagabend sicher sein: Vor ihnen steht er wieder, der echte Wolfgang Krebs. Denn natürlich darf auch er nicht fehlen, beim Stockwerk Kultursommer, der gerade Abend für Abend die bayerische Kabarettszene wieder zurück auf die Bühne bringt. Bis aus Kaufbeuren, Krebs Heimatstadt, waren die Besucher angereist, um den Kabarettisten auf dem gut gefüllten, zum Open-Air-Bereich umfunktionierten Parkplatz des Stockwerks zu erleben.

Und Krebs, der beständig zwischen Klamauk und Kritik balanciert, hat sie nicht enttäuscht. Gekonnt baut er die aktuelle Situation in sein Programm "Geh zu, bleib da!" ein. Dabei ist schon das Programm selbst hochaktuell, es beschäftigt sich mit dem Thema Landflucht, dem Wegzug vom Dorf in Richtung Stadt, der die ländlichen Regionen immer weiter schwächt. Einem passt das so gar nicht: Schorsch Scheberl, Krebs' Vorzeige-Dorfbewohner. Der ist Vorsitzender aller dreißig Vereine in seiner Heimat Untergamskobenzeißgrubengernhaferlverdimmering und weiß, wie es auf dem Land läuft. Und macht sich erst einmal über Gustl und Wolfi lustig, die einzigen SPD-Wähler im Dorf. "Woher ich das weiß? Ich bin schließlich der Wahlleiter." Dann knüpft er sich die vor, die ja eigentlich der Landflucht entgegenwirken. "Ich weiß ja nicht, wie das in Gröbenzell mit dem Ehrenamt ist, aber bei uns sind das nie die aus dem Neubaugebiet." Krebs schafft es wirklich gut, die Stimmung auf dem Land einzufangen, das zu sagen "was die Leute denken", auf Augenhöhe, aber ohne sich anzubiedern. Schuld an allem ist die Jugend, die nach Passau oder Regensburg zieht, um auch endlich mal in einer Metropole zu wohnen. Doch Scheberl fordert: Meister statt Master. Die Lösung: Feiern und Alkohol. "Unsere Jugendlichen haben soviel gesoffen, dass seit drei Jahren keiner von ihnen mehr eine Realschule gesehen hat."

Als Politiker-Imitator hat Krebs eine tägliche Rubrik im Bayerischen Rundfunk und einen festen Platz in der BR-Fernsehsendung "Quer". Damit ist er so etwas wie der offiziell geduldige Hofnarr der CSU-Regierenden. Das hindert ihn aber nicht daran, unbequem zu sein. Mit den Worten "Immer wenn du denkst, es geht nicht blöder, kommt von irgendwo der Markus . . .", lässt er den Ministerpräsidenten auftreten. Da ist sie, die klamaukige Seite. Doch dann spricht er von der Corona-Todesrate in Bayern, die mit 20 pro 100 000 Einwohnern doppelt so hoch ist wie in NRW. "Aber dem Laschet traut man mehr Tote zu", freut sich der falsche Söder über seine Fähigkeit zur Selbstinszenierung. Dass die Milliarden, mit denen gerade die Wirtschaft unterstützt wird, irgendwann wieder zurückgezahlt werden müssen. Egal, das merken die Menschen erst in ein paar Jahren. "Da bin ich längst Kanzler."

Auftreten dürfen sie an diesem Abend alle, die Figuren von Krebs: Stoiber, Herrmann, Aiwanger, sogar der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck darf eine Talkshow moderieren. Und zum Abschluss ist dann sogar die Kanzlerin kurz zu Besuch. Den "Verehrten Bundes-, Reichs- und Schildbürgern" berichtet sie von ihrer Abschiedstour durch Bayern, auf der sie kein Wort versteht, aber immer freundlich winkt. Kurz tritt Krebs sogar als Krebs auf. Der Abschluss aber gehört dem Ehrenministerpräsidenten Stoiber. Der lobt sich noch einmal selbst, "50 Prozent plus X, heute findet man diesen Prozentsatz nur noch als Körperfettanteil bei oberbayerischen Lokalpolitikern", hat dann aber vor allem noch lobende Worte für das Publikum. Sie seien es, die mit ihrem Besuch die Kultur, die es hart getroffen habe, unterstützten. "Danke, dass sie gekommen sind und die Kultur in Gröbenzell fördern."

Stockwerk Kultursommer in Gröbenzell, noch bis Sonntag, 2. August. Tickets und alle Termine unter www.kultur-ticketshop.de.

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SZ vom 27.07.2020
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