Süddeutsche Zeitung

Justiz in Fürstenfeldbruck:Streit ums Kind

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43-Jährige steht vor Gericht, weil sie dem Vater den Sohn entzogen haben soll

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Hat eine 43-Jährige ihren Sohn ohne Wissen und Einverständnis des Vaters in ihre Heimat in Rumänien verschleppt? Mit dieser Frage befasst sich seit Donnerstag ein Prozess wegen Entziehung Minderjähriger vor dem Amtsgericht in Fürstenfeldbruck. Nach Darstellung der Angeklagten und zweier Zeugen war der Kindsvater von der Reise informiert worden. Weil dieser jedoch ohne Entschuldigung der Verhandlung fernblieb und somit diese Behauptung weder bestätigen noch widerlegen konnte, wurde der Prozess ausgesetzt.

Auch die ehemals im westlichen Landkreis lebende Angeklagte ist nicht im Sitzungssaal. Da sie mit ihrem Sohn seit August vorigen Jahres wieder in ihrer früheren Heimat Rumänien lebt, hat der Richter sie von der Anwesenheitspflicht entbunden. Wie ihr Verteidiger unterstreicht, hatte seine Mandantin nicht die Absicht, ihrem Mann den Kontakt zu seinem Kind zu verweigern. Vielmehr sei die ausgebildete Lehrerin, die im Landkreis in einer Metzgerei ausgeholfen hatte, den Schritt zurück zu ihren Eltern als eine Art "Nothilfe" gegangen. Womit der Jurist ausdrücken will, dass seine Mandantin von Existenzängsten getrieben war. Denn sie war von ihrem Mann verlassen worden. Den Sohn hatte er bei ihr gelassen, das Geld vom gemeinsamen Konto mitgenommen, obwohl darauf auch die Einnahmen aus ihrem Job in der Metzgerei flossen. Selbst das Kindergeld für den Buben im Grundschulalter hatte er abgehoben. Die Eltern der Frau mussten Geld aus Rumänien schicken, damit sie in Deutschland ihre Stromrechnung zahlen konnte und Licht und Kühlschrank wieder funktionierten. Die Reise zurück in ihre Heimat, wo sie jetzt wieder als Lehrerin arbeitet, war nach Darstellung des Rechtsanwalts praktisch die einzige Möglichkeit für die 43-Jährige, ihrem Sohn einen geregelten Alltag zu bieten.

Ein befreundetes Ehepaar der Angeklagten, ebenfalls aus Rumänien stammend, ist in den Zeugenstand geladen. Das Paar ist damals praktisch zeitgleich mit Mutter und Sohn in die Heimat aufgebrochen. "Sie hat schon angekündigt, dass sie nach Rumänien fährt", erklärt die Frau im Gerichtssaal. Ihr Mann sei schon lange vorher von seiner Frau darüber informiert worden, auch wenn er überrascht reagiert habe, als er erfuhr, dass sie nun tatsächlich diesen Schritt gegangen sei. Das habe sie bereits voriges Jahr so bei der Polizei zu Protokoll gegeben, betont die Zeugin. Sie berichtet außerdem von den Geldsorgen ihrer Freundin. Dreimal hätten sie ihr Geld geliehen, sie habe es immer wieder zurückbezahlt. Und ihr Mann berichtet, dass sie der Freundin bei früheren Fahrten "dreimal Essen mitgebracht haben aus Rumänien", weil diese weder Geld noch Nahrung gehabt habe. "Weil ihr Mann hat die Kontokarte gehabt", erklärt er noch. Und dass er und seine Frau sich gewundert hätten, als sie von dessen Anzeige bei der Polizei erfuhren.

Weil der wichtigste Zeuge - und Anzeigensteller - unentschuldigt fehlt, erlässt der Vorsitzende Richter Martin Ramsauer 150 Euro Ordnungsgeld oder drei Tage -haft gegen den inzwischen von der Angeklagten geschiedenen Mann. "Noch einmal die Frage, ob man es nicht anders beenden kann", säuselt der Verteidiger. Er verweist auf die übereinstimmenden Aussagen von Angeklagter und Zeugen, das viel sagende Fehlen des Vaters. "Und sie haben sich ja jetzt geeinigt im Scheidungsverfahren", der Sohn dürfe bei seiner Mutter in Rumänien bleiben, berichtet er. Doch die Staatsanwältin besteht darauf, den Mann persönlich befragen zu wollen: "Immerhin hat er eine Anzeige bei der Polizei gemacht."

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Quelle:
SZ vom 16.10.2021
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