Jugendzentren: SZ-Serie, Teil 11:Wiederbelebt

Der Jugendraum in Mammendorf bot noch bis vor einem Jahr ein trauriges Bild. Mit viel Eigeninitiative hat ihn eine Clique um den 22-jährigen Basti Kopp seither ordentlich aufgemöbelt. Über Kicker und Billard hinaus soll das Angebot bald weiter ausgebaut werden

Von Valentina Finger, Mammendorf

Noch vor etwas mehr als einem Jahr war der Kickertisch kaputt in der Ecke gelegen. Die Sofas waren zerrissen, das einzige weitere Möbelstück war ein alter Holztisch mit einer Stereoanlage darauf. Heute kann man im Mammendorfer Jugendraum Tischfußball und Billard spielen, die Wände sind mit Billardkugeln und dem amerikanischen Adler bemalt. All das haben Basti Kopp und seine Freunde im Januar 2014 in Eigenregie organisiert. Darauf ist der 22-Jährige mächtig stolz. Lange hat die Clique nach einem Ort gesucht, an dem sie sich treffen kann. Vor einigen Jahren war das für manche von ihnen der Martin-Luther-Platz an der gleichnamigen evangelischen Kirche. Doch Alkoholexzesse, Beschwerden von Anwohnern und sogar ein abgebranntes Moped haben die Gruppe gespalten. Basti Kopp spricht nicht gerne über diese Zeit. "Damals sind ein paar unschöne Dinge passiert, aber so sind wir auf die Idee mit dem Jugendraum gekommen", sagt Kopp, der schon immer in Mammendorf wohnt, aber als Kfz-Mechatroniker in Fürstenfeldbruck arbeitet.

Die Gruppe hat den Jugendraum neben dem Mammendorfer Rathaus, dessen Eingang etwas versteckt an der Rückseite des früheren Klosterbaus liegt, neu belebt. Erfunden haben sie ihn nicht. Ein Stockwerk darüber, wo sich mittlerweile die Räume der Volkshochschule befinden, fand vom Jahr 2000 an die Nachmittagsbetreuung des Vereins Jugendcafé für die örtliche Mittelschule statt. Für den Verein, der seit der Gründung zehn Jahre zuvor sporadisch Jugendarbeit für die Ortschaften der Verwaltungsgemeinschaft Mammendorf leistete, war das Angebot der Schule die Gelegenheit, um aktiv zu werden. 2007 wurden die Mittagsbetreuung für die Grundschüler sowie die offene Ganztagsschule für Schüler von der fünften Klasse an in den neu errichteten Anbau an der Schule verlagert.

Der Jugendraum blieb als Stiefkind zurück. Um diesen kümmerten sich die Jugendlichen in den ersten Jahren selbst. Das Ergebnis waren laute Partys, die vom benachbarten Rathaus nicht lange geduldet wurden. Um 2011 kam die Wende, als Basti Kopp von einem Freund von der Existenz des ungenutzten Raums erfuhr. Gemeinsam mit dem ersten Vorsitzenden des Vereins Jugendcafé, Ludwig Waldleitner, machte Kopp sich daran, den Raum wieder zu einem Treffpunkt aufzubauen. "Wir haben immer versucht, die Jugendlichen mit neuen Angeboten besser anzusprechen. Aber wenn einige von ihnen nicht selbst die Initiative ergreifen, klappt das nicht", sagt Waldleitner, der den Verein 1990 aus der katholischen Landjugendbewegung heraus mitbegründet hat. Nun sitzt er zufrieden in dem Ergebnis dieses Zusammentreffens, auf der neuen Couch, die die Clique aufgetrieben hat, und freut sich sichtlich, dass Basti Kopp und seine Freundin Anna zufällig dazugestoßen sind.

JUZ Mammendorf

Im Mammendorfer Jugendraum kann der Nachwuchs sich an zwei Tagen in der Woche die Zeit vertreiben. Ein Sozialpädagoge ist dann immer anwesend.

(Foto: Günther Reger)

Weil Alkohol verboten und mit dem Sozialpädagogen Michael Schneider stets ein Betreuer vor Ort ist, können sich die Ausschreitungen von früher im zweiten Anlauf nicht wiederholen. Stattdessen werden heute Karten, Billard, Darts oder Kicker, Singstar an den Spielkonsolen im Nebenraum oder im Sommer Basketball und Tischtennis auf dem Hof gespielt. Ihre Clique bestehe aus zehn bis 20 Leuten, die an den beiden Öffnungstagen Mittwoch und Freitag abends zusammen kommen, erzählt Kopp. Nicht alle kämen aus Mammendorf, vielmehr seien die Besucher mit Wohnorten in Jesenwang, Nassenhausen oder Moorenweis über den westlichen Landkreis verteilt. Er selbst sei "immer wenn offen ist, mindestens eine halbe Stunde" da. Hat der Jugendraum geschlossen, treffen er und seine Freunde sich privat.

Michael Schink gehört nicht zu dieser Gruppe. Er ist ein Jahr jünger als Kopp und obwohl er in Mammendorf wohnt und auch im Ort als Elektriker arbeitet, spielt der Jugendraum in seiner Freizeitgestaltung keine Rolle. Zum Feiern geht es immer nur nach München, im Sommer an den Mammendorfer See oder ins Freibad. "Mir fällt auf, dass es in Mammendorf kaum Bänke oder andere Sitzgelegenheiten gibt, wo man sich aufhalten kann", sagt Schink. Seine Schwester Veronika vermutet, dass die Gemeinde damit störende Ansammlungen von Jugendlichen wie damals am Martin-Luther-Platz vermeiden will. Veronika Schink ist 25 Jahre alt und vor rund fünf Monaten von Mammendorf nach Fürstenfeldbruck gezogen. Sie erinnert sich noch an die Zeit, als die erste Version des Jugendraums von älteren Hauptschülern eingenommen war. "Teenager in meinem Alter haben sich dort nicht hingetraut und auch meiner Mama war nicht wohl dabei", sagt die 25-Jährige, die selbst Hauptschullehramt studiert hat und bald als Referendarin in den Schuldienst geht.

Für Jugendliche, die sich gerne in Vereinen organisieren, sei Mammendorf ideal, sagt Veronika Schink. Der Sportverein, der mehr als 1500 Mitglieder zählt, sei sehr aktiv, nur für Mädchen sei auch dessen Angebot gering. Bis 2010 hat sie selbst Hip-Hop-Tanzen in der Schulaula unterrichtet, inzwischen bleibt ihr dafür keine Zeit mehr. Ihre Schwester Laura Hertwig ist 17 Jahre alt. Auch sie ist nach der vierten Klasse auf eine weiterführende Schule außerhalb Mammendorfs gegangen. Der erste große Schritt raus aus dem Dorf, wie Veronika Schink sagt. "Durch die neue Schule wurden die Freunde in Mammendorf weniger und damit auch das Bedürfnis nach Treffpunkten im Ort", sagt Laura Hertwig, die derzeit die Fachoberschule in Bruck besucht. Andere wie Basti Kopp haben nicht vor, Mammendorf allzu bald zu verlassen.

JUZ Mammendorf

Sich treffen und einfach nur ratschen, ohne Aufsicht durch Eltern: Für die meisten Jugendlichen die ideale Freizeitgestaltung.

(Foto: Günther Reger)

Auf der offenen Jugendarbeit für diese Jugendlichen, die kein Interesse an den örtlichen Vereinen zeigen, sowie auf der kirchlichen Jugendarbeit liegt der Schwerpunkt von Stefan Bauer (Freie Wähler), der seit zwölf Jahren Jugendreferent im Mammendorfer Gemeinderat ist. Gerade bei Letzterer gebe es noch Nachholbedarf, freiwillige Erwachsene als Jugendleiter zu finden, sei dabei das Hauptproblem. Bereits zwei Mal hat er in Mammendorf die Jugendzukunftswerkstatt initiiert, eine dritte steht möglicherweise in diesem Jahr an. Jugendliche können in diesen Treffen ihre Wünsche äußern, einige Projekte werden anschließend gemeinsam realisiert. Entstanden sind aus diesem Austausch die Badeinseln im See, die Beachvolleyballplätze sowie der Skaterpark am Jugendzeltplatz, der aber nur wenig genutzt wird. "Offene Jugendarbeit ist ein schwieriges Thema, aber es ist wichtig, dass es auch für die Jugendlichen, die nicht in Vereine eingebunden sind, vernünftige Angebote gibt, damit diese nicht nur rumhängen", sagt Bauer, der selbst drei Kinder im Alter von 13, 17 und 19 Jahren hat.

Hier soll auch das neue Konzept des Vereins Jugendcafé ansetzen. Während sich die Mitglieder der Clique um Basti Kopp zwischen 18 und 22 Jahren bewegen, wollen Ludwig Waldleitner und sein pädagogisches Kernteam aus Michael Schneider und Anja Strauch nun versuchen, auch etwas jüngere Teenager zu erreichen. Geplant ist, den Jugendraum an einem Nachmittag pro Woche auch für diese zugänglich zu machen, eventuell mit einer zusätzlichen Stunde, in der sich die Treffzeiten der Jüngeren und der Älteren überschneiden, um Kontakte zu ermöglichen. Darüber hinaus werden ein regelmäßiger Brunch von der sechsten Klasse an und Jugendabende von 14 Jahren an eingeführt.

Auch Basti Kopp und seine Freundin Anna möchten in Absprache mit dem Verein mehr Verantwortung übernehmen und den Jugendraum mitbetreuen. Dann soll ein dritter Öffnungstag eingeführt werden, im Idealfall möchte Kopp der Generation nach ihm am liebsten jeden Tag Zugang zum Jugendraum ermöglichen. Deswegen kommen er und seine Freundin immer wieder mal spontan vorbei, so wie an diesem Abend, wo sie außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten Licht in dem Raum bemerkt hatten. Das mit der Verantwortung klappt ja bereits ziemlich gut.

Jugendraum des Vereins Jugendcafé, offener Betrieb: Mittwoch und Freitag von 18 bis 21 Uhr

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