Jubiläum:Streben nach Urbanität

Germering feiert in diesem Jahr seinen 25. Stadtgeburtstag. Seit Edmund Stoiber 1991 die Erhebungsurkunde im Rathaus übergeben hat, unternimmt die einwohnerstärkste Kommune des Landkreises viele Anstrengungen, sich ihrem Titel gemäß zu entwickeln

Von Andreas Ostermeier, Germering

Lange bevor Germering zur Stadt erhoben wurde, hat der Ort eine erste städtische Bebauung bekommen: hohe Häuser an der Planegger Straße und im Kerschensteiner Gebiet sowie Hochhäuser an der Spange. Zur Stadt fehlte seinerzeit aber noch einiges, so neben dem offiziellen Titel ein urbanes Zentrum. Das gibt es bis heute nur in Teilen. Seit der Stadterhebung im Jahr 1991 bemüht sich Germering jedoch um einen urbanen Mittelpunkt.

Das Problem: Germerings Zentrum ist nicht über lange Zeit gewachsen, sondern es befindet sich an der Stelle, wo die Gemeinden Germering und Unterpfaffenhofen aneinandergrenzten. Das ist im Umfeld des Bahnhofs, der wie viele Bahnhöfe an den Strecken nach Herrsching, Tutzing oder Mammendorf als Keimzelle von Orten anzusehen ist. Die Bahnlinien sind in der zweiten Hälfte des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut worden. Mit ihnen kamen die ersten Einwohner, die nicht von den eingesessenen Familien abstammten.

Edmund Stoiber, der als bayerischer Innenminister die Stadtgründungsurkunde nach Germering brachte, tat also richtig daran, die Fahrt in die junge Stadt mit der S-Bahn zu unternehmen, egal, ob er nur eine Haltestelle gefahren ist oder mehrere. Denn mit der Bahnstrecke begann die Veränderung Germerings, die vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zuzug von Flüchtlingen und das Aufstreben Münchens im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen vorangetrieben wurde.

Germering hat sich nicht erst seit 1991 verändert, seitdem aber mit großer Geschwindigkeit. Gleich zwei Großbaustellen kennzeichnen die junge Stadt: der Bau der Stadthalle und die Errichtung einer Unterführung beim Bahnhof. Der große Kreisel dort ist längst stadtbildprägend, sein Fehlen kann man sich nicht mehr vorstellen. Und doch, so lange ist die Zeit nicht her, als Auto- und Radfahrer sowie Fußgänger am Bahnübergang warten mussten, bis die Schranken sich öffneten. Ähnlich ist es mit der Stadthalle. Auch sie gehört zu Germering wie etwas, das schon lange Zeit da ist. Stadthalle und Bibliothek kennzeichnen die Mitte Germerings, und was die Stadthalle betrifft, so steht ihr Programm auch für die Außenwirkung der Stadt. Ihr Kulturprogramm schlägt mit mancher Veranstaltung sogar die benachbarte Landeshauptstadt, wenn ein Künstler seinen Auftritt im Raum München eben nur in Germering absolviert.

Nach den furiosen Anfängen geriet die Entwicklung der Innenstadt ins Stocken. Ein geplanter Hotelturm am Therese-Giehse-Platz stieß bei den Germeringern auf Ablehnung. Und auch über den Umbau des Kleinen Stachus konnten sich Bewohner und Kommunalpolitiker lange Zeit nicht einig werden. Erst im vergangenen Jahr gelang nach vielen Diskussionen und einer sechs Monate dauernden Bauzeit die Neugestaltung der fünfarmigen Straßenkreuzung zu einem Platz. Der soll Einwohner, Kunden und Spaziergänger anziehen und dazu bringen, sich dort aufhalten zu wollen, also urbanes Leben fördern. Ein neues Café als Treffpunkt und Kinder, die durch die Brunnenanlage sausen, sind erste Zeichen dafür, dass das Vorhaben gelingen könnte.

Ein Akt der Befreiung war das Entfernen der Bahnstromleitung, die quer übers Stadtgebiet führte. Die 110-Kilovolt-Kabel schnürten die Fortentwicklung an vielen Stellen ein, verhinderten den Neubau von Häusern oder den Ausbau von Gebäuden, denn nichts durfte in die Nähe der Leitungen kommen. Hemmend waren auch die Masten, an denen die Leitungen aufgehängt waren. In manchen Fällen nahm ein solcher Mast Bewohnern einen erheblichen Teil ihres Gartens weg. Nun führt die Starkstromleitung um das Stadtgebiet herum. Außerhalb der mit Häusern bebauten Fläche Germerings hat sich ebenfalls eine einflussreiche Veränderung ergeben: der Bau der A 99-West. Zehntausende Fahrzeuge rasen auf dieser Straße zwischen der Lindauer Autobahn und dem Norden Münchens täglich an Germering vorbei.

Gut 35 000 Einwohner hat die Stadt bei ihrer Erhebung. Die leben nicht nur in einer größer werdenden Ansiedlung, sondern geben ihr durch eigene Leistungen einen urbanen Charakter. Germering erwirbt sich vor allem mit seinen sozialen Angeboten und Projekten einen guten Ruf. Frauen tun sich zu einem Mütterzentrum zusammen und gründen eine Initiative, die sich für Gleichberechtigung einsetzt, Eltern gründen Fördervereine für die Unterstützung der vielen Schulen, die Insel kümmert sich um die Beratung von Behinderten, Senioren oder Angehörigen von Kranken und vermittelt Hilfen, der Hospizverein betreut Todkranke. Das soziale Netz der Stadt wird eng geknüpft, es gibt zahlreiche Angebote und einige Projekte sind Pionierleistungen. Die Stadt bleibt nicht nur Stadt, im Jahr 2004 erhält sie, noch vor der Kreisstadt Fürstenfeldbruck, den Titel "Große Kreisstadt". Pünktlich zum 25. Stadtgeburtstag steigt die Zahl der Einwohner auf mehr als 40 000. Die suchen nicht nur nach einem Dach überm Kopf und einer Arbeit, sondern auch nach Möglichkeiten zur Erholung und zum Verbringen der Freizeit. In den Sportvereinen, im Freibad oder am Germeringer See werden solche Möglichkeiten geboten.

Germering setzt sich auch im Jubiläumsjahr nicht zur Ruhe. Die Urbanisierung geht weiter. Das nördlich des Bahnhofs gelegene Areal soll mit höheren Häusern bebaut, die freie Fläche neben der Stadtbibliothek durch ein markantes Gebäude herausgehoben werden. An der Landsberger Straße, nahe der Stadtgrenze zu München plant die Stadt die Errichtung von zwei mehrstöckigen Gebäuden. Noch ist keines dieser Projekte Wirklichkeit, noch gibt es finanzielle, politische oder rechtliche Hürden. Aber der Entwicklungstrend ist deutlich, Germering wird weiter eine Stadt mit Zuzug sein und deshalb weiter wachsen. Das gilt auch für die im Osten angrenzende Landeshauptstadt. Mit Freiham entsteht in den nächsten Jahren und in unmittelbarer Nachbarschaft ein Viertel, das von der Einwohnerzahl her halb so groß wie Germering werden soll.

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