Jubiläum:Mit Bürokratie-Nachhilfe fängt alles an

Eichenau und Scharfenstein feiern vier Tage lang das 25-jährige Bestehen ihrer innerdeutschen Partnerschaft. Verwaltungsexperten stellten erste Kontakte her, die Feuerwehren füllten die Beziehung mit Leben. Und sogar mehrere Paare haben zusammengefunden

Von Stefan Salger, Eichenau

Diese Partnerschaft ist etwas ganz Besonderes, so viel ist klar. Nicht nur deshalb, weil da zwei deutsche Gemeinden eine offizielle Verbindung eingegangen sind. Sondern weil sie wirklich zueinandergefunden haben. Was 1993 und 1994 mit den offiziellen Festakten in Scharfenstein und dann in Eichenau begann, hat sich zu weit mehr entwickelt, als man ursprünglich ahnen konnte.

Jubiläum: Die Burg ist Scharfensteins Wahrzeichen.

Die Burg ist Scharfensteins Wahrzeichen.

(Foto: ASL Schlossbetriebe gGmbH)

Die Beziehung fing nämlich recht nüchtern in der Zeit der deutschen Wiedervereinigung an, wie sich Claus Guttenthaler, 50, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler und Referent für Städtepartnerschaften, erinnert. Nach menschlicher Wärme und Herzlichkeit klingt es ja nicht, wenn Verwaltungsleute aus dem Westen einer Stadt im Erzgebirge "die westdeutsche Bürokratie" näher zu bringen versuchen und bei der kommunalen Selbstverwaltung in den neuen Ländern Hilfestellung leisten. Aber der damalige Eichenauer Amtsleiter und seine Kollegen erwärmten sich dann eben doch für die Herzlichkeit der Scharfensteiner. Und so reifte die Idee, sich auch formal irgendwie aneinanderzubinden. Vor allem die Feuerwehrleute der beiden Gemeinden nahmen sich der Sache an. Bereits 1993 hatten die Eichenauer ein Tanklöschfahrzeug quasi als Aufbauhilfe Ost zur Verfügung gestellt. Abordnungen besuchten sich zu verschiedenen Feierlichkeiten, und der Funke sprang schnell über auf die Bevölkerung und auch auf die Politiker. Einige Scharfensteiner seien in der Folge in die Eichenauer Gegend gezogen, weil sie eine Arbeit in der Region München gefunden haben, erzählt Guttenthaler. Und ja, auch das: Es gibt einige zwischenmenschliche Verbindungen, die sich mittlerweile zu Familien entwickelt haben.

Jubiläum: Peter Münster (ganz rechts) empfängt die Gruppe der Eichenauer und Scharfensteiner Radfahrer im Juni vor dem Rathaus, darunter Amtskollege Jens Haustein (dritter von links).

Peter Münster (ganz rechts) empfängt die Gruppe der Eichenauer und Scharfensteiner Radfahrer im Juni vor dem Rathaus, darunter Amtskollege Jens Haustein (dritter von links).

(Foto: Gemeinde)

Vor allem in der Adventszeit gibt es einen regen Austausch, da wird in Eichenau auf dem Christkindlmarkt sächsische Handwerkskunst angeboten. Und Guttenthaler fährt gerade in der dunklen Jahreszeit gerne nach Sachsen. Im Blickpunkt steht da natürlich immer die mächtige Burg Scharfenstein - ein Bilderbuchmotiv mit Spielzeugmuseum. Die Burg wurde um 1250 von den Herren von Waldenburg auf Wolkenstein errichtet. Urkundlich erwähnt wurde Scharfenstein erstmals 1349. Die ganze Gegend im Erzgebirge entfaltet dann ihren winterlichen Charme. Häuser sind mit sogenannten Schwibbögen verziert. Ein solches Kunstwerk ziert seit ein paar Jahren in der Vorweihnachtszeit auch das Eichenauer Rathaus. Als Beleg für die tiefe Verbundenheit wertet Guttenthaler eine Art Ritual. Irgendwann hat sich das eingebürgert: Man winkt dem Bus aus der Partnergemeinde nicht einfach nur zum Abschied hinterher, sondern trifft sich kurz vor der Abreise noch in gemütlicher Runde beim "Scheidebecher" - denn scheiden tut weh, lässt sich aber bei einem gemeinsamen Gläschen leichter verkraften. Fünf bis sechs Stunden dauert die Fahrt mit Auto oder Bus, mit der Bahn dauert es etwa sieben Stunden.

Jubiläum: Die Nordseite des Eichenauer Rathauses ziert seit 2014 ein Schwibbogen aus dem Erzgebirge.

Die Nordseite des Eichenauer Rathauses ziert seit 2014 ein Schwibbogen aus dem Erzgebirge.

(Foto: Gemeinde)

Bürgermeister Peter Münster (FDP) findet es toll, wie diese Verbindung funktioniert. Am Dienstag sitzt er gerade am Schreibtisch und verfasst sein Grußwort für den Festabend. "Das ist schon eine selten herzliche Partnerschaft" sagt er. Man spreche auch sehr offen über politische Dinge - in dem Bewusstsein, dass man grundsätzlich die gleichen Werte teile. Auch in schwierigen Zeiten steht man zueinander - Trauerbesuche in der jeweiligen Partnergemeinde sind keine Seltenheit. Münster gehörte schon dem Gemeinderat Eichenau an, als 1994 in der Friesenhalle die Partnerschaftsurkunde unterzeichnet wurde. Weil eine ähnliche Zeremonie bereits im Vorjahr in Scharfenstein stattgefunden hatte, begannen die 25-Jahr-Feiern konsequenterweise auch bereits 2018. Anfang November war Münster in Sachsen, und im Juni empfing er eine gemischt mit Eichenauern und Scharfensteinern besetzte Radlergruppe vor dem Eichenauer Rathaus - nach der sechsten und letzten Etappe über 80 Kilometer. Sogar Scharfensteins Bürgermeister Jens Haustein war die gesamten 500 Kilometer mitgeradelt.

Die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zwischen Städten und Gemeinden innerhalb und außerhalb Deutschlands ist ein wichtiger Mosaikstein der Völkerverständigung. Das gelte gerade in der heutigen Zeit, sagt Münster mahnend. Städtepartnerschaften sind also mitnichten ein Auslaufmodell.

Vom Empfang bis zum obligatorischen "Scheidebecher“

Die Gemeinde Eichenau feiert 2019 bereits zum dritten Mal eine 25-jährige kommunale Partnerschaft. Nach den Feierlichkeiten mit Budrio im Jahr 2016 und Wischgorod im darauffolgenden Jahr diesmal also jene mit dem sächsischen Scharfenstein - das mittlerweile zu einem Teil der Gemeinde Drebach geworden ist.

Donnerstag: Eine 34-köpfige Delegation um Bürgermeister Sven Haustein wird in Eichenau erwartet; 18 bis 19.30 Uhr Festakt im Sitzungssaal des Rathauses; 20 Uhr Abendessen im Restaurant Primavera;

Freitag: acht Uhr Abfahrt Rathaus Eichenau, besucht werden Amperverband, Kläranlage, das neue Verwaltungsgebäude in Geiselbullach sowie das Oktoberfest; 18 Uhr Abendessen im Schneider Brauhaus, München;

Samstag: 9.30 Uhr Abfahrt Rathaus Eichenau; zehn bis 11.30 Uhr Klosterkirche Fürstenfeld mit Führung Dachstuhl, Kellergewölbe, Vor- und Frühgeschichte, Museum; zwölf Uhr: Bürgermeister Peter Münster eröffnet das Bürgerfest auf der Rathauswiese. Es gibt einen bairischen Nachmittag mit Hendl, Haxen und Spareribs. Für zünftige Stimmung und den musikalischen Rahmen sorgen die Eichenauer Volkstanzfreunde, die Guichinger Goaßlschnalzern und die Kapelle "Die Luitpoldmusikanten". Jeder Gast erhält am Stand der Gemeinde Eichenau einen "Give-away-Button" und hat die Möglichkeit, einen Luftballon mit einer Antwortkarte steigen zu lassen, Ende gegen 16 Uhr; 19.30 Uhr Festabend im Bürgerzentrum, großer Saal mit Sektempfang;

Sonntag: zehn Uhr "Scheidebecher" im Feuerwehrhaus an der Tannenstraße.

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