Museum:Flieger, Freizeit und Olympia

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Wintersport hat einen eigenen Bereich in der Ausstellung. (Foto: Jana Islinger)

Der Katalog zur Ausstellung im Jexhof zeigt, wie sich der Sport im Brucker Land bis 1972 entwickelte. Und was tollkühne Piloten in Puchheim damit zu tun haben.

Von Peter Bierl, Schöngeising

Wie sich der Sport im Landkreis Fürstenfeldbruck von seinen Anfängen bis zu den Olympischen Spielen von 1972 entwickelte, zeigt eine Ausstellung im Bauernhofmuseum Jexhof, die noch bis 3. November zu sehen ist. Dazu ist jetzt ein umfangreicher Katalog erschienen; es dürfte das letzte Werk des scheidenden Museumsleiters Reinhard Jakob sein, der zum Jahresende in den Ruhestand geht.

Jakob, der Fürstenfeldbrucker Historikerin Elisabeth Lang und der Künstlerin Ruth Strähhuber ist erneut eine informative, unterhaltsame und ansprechend gestaltete Ausstellung gelungen. Gezeigt werden dort Hunderte Fotos, Plakate und Dokumente, die zum Teil im Katalog abgebildet sind. Zusätzlich finden sich dreizehn Aufsätze, die viele Hintergrundinformationen liefern und helfen, einzelne Aspekte in ihren historischen Kontext zu verstehen. So erklärt Jakob in der Einleitung, woher der Begriff Sport überhaupt stammt, vom Vulgärlateinischen desportare, das „sich vergnügen“ bedeutet.

Wettkampf und körperliche Übung finden sich bereits im europäischen Mittelalter, etwa bei Ritterturnieren. Hingegen bezeichnet Sport ein modernes Phänomen, eine Bewegungs- und Körperkultur, die als Freizeitvergnügen mit Wettbewerbscharakter in verschiedenen Disziplinen nach bestimmten Regeln betrieben wird und deshalb nicht von ungefähr im 18. Jahrhundert in England aufkam. Dort war die gesellschaftliche Entwicklung am weitesten fortgeschritten. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus eine Sportbewegung als wichtige Freizeitgestaltung für Bürgertum und Arbeiterklasse.

Zu den ersten richtigen Vereinen im Landkreis dürfen die Schützen gezählt werden. Nach den Recherchen von Anna Ulrike Bergheim, der früheren Vorsitzenden des Historischen Vereins, waren die Moorenweiser um 1776 wohl die ersten, gefolgt von den Brucker Feuerschützen anno 1796 sowie dem Althegener Schützenverein von 1857. Geselligkeit steht oft im Vordergrund, Bergheim verweist auf die Eintracht Puchheim, deren frühester Nachweis in einem Antrag auf Sperrzeitverkürzung von 1901 besteht.

In Bruck wurden bereits im frühen 18. Jahrhundert Pferderennen abgehalten, Ende des 19. Jahrhunderts gehörte Markt zur Hochburg des Radfahrens in München und Umgebung, berichtet Stadtarchivar Gerhard Neumeier. Bei rund 3900 Einwohnern zählte Bruck um die Jahrhundertwende 21 Vereine mit durchschnittlich 100 Mitgliedern, statistisch betrachtet wären demnach zwei Drittel der Bevölkerung organisiert gewesen. Kein Wunder, dass die Vereine im gesellschaftlichen und sozialen Leben der Stadt eine große Rolle spielten. Neumeier hebt die Rolle des TuS sowie des SCF heraus und erinnert an die Anfänge des Boxclubs Piccolo, den amerikanische Soldaten 1947 für deutsche Jugendliche schufen.

Dass Frauen bei diesen Vergnügungen lange Zeit auf die Zuschauerinnenrolle reduziert wurden, beschreibt Elisabeth Lang in ihrem interessanten Aufsatz. Der Mythos, sportlicher Wettbewerb gefährde die weibliche Gebärfährigkeit, habe sich bis in die Fünfzigerjahren gehalten, schreibt sie. Beim Deutschen Fußballbund (DFB) gelangte der reaktionäre Unfug damals allerdings erst zu offizieller Anerkennung: Der Verband erließ 1955 ein Fußballverbot für Frauen, das offiziell bis 1970 in Kraft blieb. Lang würdigt die ersten Sportlerinnen im Landkreis, die Frauenriege des TuS Fürstenfeldbruck, die 1919 gegründet wurde, im gleichen Jahr als die Frauen endlich das Wahlrecht erstritten hatten, sowie die Künstlerin Lily Koebner-Linke als Mitbegründerin des ersten Brucker Tennisklubs in den 1920er-Jahren.

Obendrein war sie eine frühe Aktivistin des Nationalsozialismus, was unerwähnt bleibt, wie überhaupt die NS-Zeit zwar in mehreren Aufsätzen aufgegriffen, aber in keinem systematisch behandelt wird. Dabei wurden faschistische Spitzenfunktionäre des Sports wie Carl Diem und Ritter von Halt in Germering mit Straßennamen geehrt, bis sich der Stadtrat 1996 entschloss, dies zu ändern. Anhand des „Turnvaters“ Ludwig Jahn und der Turnvereine, die ihn verehrten, ließe sich zeigen, wie sich der völkische Nationalismus als Graswurzelbewegung seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland ausbreitete.

Pokale wie diese wurden bei Spielen der Arbeiter-Sport-Bewegung vergeben. (Foto: Jana Islinger)

Ausstellung wie Katalog machen einem bewusst, dass der Kommerzfußball fast alle anderen Sportarten in Deutschland an den Rand gedrängt hat. Umso lesenswerter sind die Darstellungen von Sparten wie etwa dem Kraftsport im Landkreis, wobei sich der Eichenauer Sportverein so profilierte, dass dessen Gewichtheber zeitweise in der Bundesliga starteten, wie Maximilian Schamberger schreibt. Wolfgang Kleinknecht hat die Geschichte des Motorsports, insbesondere der Speedway-Arena in Olching aufgearbeitet, Edigna Hillebrand schildert anhand des TSV Jesenwang beispielhaft und reich bebildert die Entwicklung eines Vereins auf dem Land. Den kometenhaften Aufstieg der Wesslinger Eishockeymannschaft in die Oberliga 1953 nach einem Überraschungssieg gegen die Favoriten aus Mannheim, schildert Erich Rüba. Kreisheimatpflegerin Susanne Poller berichtet über Sportstätten, illustriert mit alten Plänen und Fotos.

Margit Quell hat die Geschichte der Paralympics und des Parasports zusammengefasst. Sie hat diese Sparte als Leichtathletin und Schwimmerin, die aufgrund einer Polio-Erkrankung auf den Rollstuhl angewiesen war, mitgeprägt. Zwischen 1968 und 1988 gewann Quell bei sechs Paralympic-Teilnahmen zehn Goldmedaillen. Lang würdigt die Germeringer Schwimmerin Claudia Hengst und die Radfahrerin Denise Schindler.

Beeindruckend hängt das Modell der Flugsportgemeinschaft von der Museumsdecke. (Foto: Jana Islinger)

Vergnüglich zu lesen ist der Aufsatz von Erich Hage über das Flugfeld in Puchheim, weil er deutlich macht, dass mit den fliegenden Kisten anfangs Wettbewerbe ausgetragen wurden, die Rad- oder Autorennen ähnelten. So standen fünf Pylone auf dem Feld, die eine Strecke von 2000 Meter markierten, die zu umfliegen war. Ein Turm in der Mitte diente Schiedsrichtern als Plattform. Als Disziplinen standen Höhen-, Distanz- oder Schnelligkeitsflüge auf dem Programm. Beim Flug rund um München mussten die sechs Sportler im Juni 1913 eine Strecke von 90 Kilometer zurücklegen. Hage weist auf die spektakulären Schauflüge des Franzosen Adolphe Pégoud 1913 und 1914 hin, der mit seinen Loopings bereits die Zukunft des Flugsports einleitete, der im Kunstflug lag.

Reinhard Jakob (Herausgeber), Es lebe der Sport. Von den Anfängen der Sportbewegung im Brucker Land bis zu den Olympischen Spielen 1972, Reihe Jexhof-Hefte Nr. 35, Schöngeising 2024, 232 Seiten. Die gleichnamige Ausstellung ist noch bis 3. November im Jexhofmuseum bei Schöngeising zu sehen.

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