Süddeutsche Zeitung

Jesenwang:Segen für Ross und Reiter

Weil es allzu heiß ist, kommen in diesem Jahr weniger Teilnehmer und auch weniger Besucher zum Willibaldritt nach Jesenwang. Dennoch gibt die europaweit einmalige Brauchtumsveranstaltung auch diesmal ein buntes Bild ab

Von Karl-Wilhelm Götte, Jesenwang

Als die Fanfare erklang, strömten die Besucher von den schattigen Biertischen an den Weg der Willibaldreiter, die von Jesenwang an die außerhalb des Ortes liegende Willibaldkirche herankamen. An der Spitze der Pferdewallfahrer ritt der Kreuzreiter Matthäus Hundseder, eingerahmt von zwei weiteren Reitern. Ein verkleideter Bischof, eine Nonne und ein Mönch folgten. Danach zehn geschmückte Gespanne und etwa 200 Reiter. Allen fuhren zunächst um die Kirche herum und nahmen auf der Wiese neben der Kirche Aufstellung. Dort warteten sie auf den kirchlichen Segen für Mensch und Pferd. Blaskapellen aus Mammendorf, Adelshofen, Grafrath und Unterscheinbach mischten sich unter die Reiter und die etwa 600 Besucher. Die Zahl der Reiter und Zuschauer war angesichts der sengenden Hitze gegenüber den Vorjahren stark ausgedünnt. "Es sind weniger als die vergangenen Jahre", bestätigte auch Organisator Martin Schmid, aber alle sind zu einer "schönen Familie zusammengewachsen."

So etwas wie alte Hasen sind Hans Ruppaner und sein "Co-Pilot" Peter Baumann, die mit einem Zweiergespann unterwegs waren und ein Modell der Türkenfelder Pfarrkirche auf dem Wagen transportierten. "30 Mal bin ich mit dem Wagen dabei", erzählt Ruppaner. "Vorher bin ich zehnmal mitgeritten." An so eine extreme Hitze wie an diesem Sonntag konnte sich der 67-jährige Inninger nicht erinnern. Es würden sich keine jüngeren Fahrer finden, deshalb fahren sie den Türkenfelder Wagen. Ruppaner freute sich über den gelungenen Einstand von "Dolly", die erstmals als Zugpferd dabei war. Den Pferden mache die Hitze nichts. "Die sind immer in Bewegung und deshalb gut trainiert", so Ruppaner. Das Modell der Willibaldkirche fuhr Gregor Schlittenlehner auf seinem Gespann vorbei. Er macht das seit 35 Jahren. Der Mammendorfer ist Viehhändler und Pferde sind sein erklärtes Hobby. "Ich brauche das", sagt Schlittenlehner, "das ist Erholung für mich.

Immer mehr geschmückte Gespanne fuhren vorbei. Darunter ein buntes Vierergespann mit einem Fahrer aus Schwabmünchen, der die Ministrantinnen der Willibaldkirche in seinem Wagen transportierte. Immer mehr Gespanne und Reiter mit herausgeputzten Pferden versammelten sich auf der Wiese zum allgemeinen Segen. 43 Reitergruppen aus nah und fern und am Schluss des Zuges die Ponys verzeichnete die Zugfolge des 293. Willibaldritts. Darunter auch eine Gruppe vom Haflingerhof Günthner aus Landershofen bei Eichstätt. "Das hat uns gereizt, hierher zu kommen", sagt Ramona Günthner, die Tochter des Hofbesitzers. Sie waren am Morgen noch mit ihren sechs kleinen und sechs großen Haflingern zur Pferdesegnung in Oberlautenbach bei Wolnzach gewesen und wollten sich in Jesenwang auch noch die grün-rote Schleife abholen, die die Haflinger jetzt an ihren Köpfen trugen. DennDer Ritt geht auf ein Gelöbnis zurück, das die Jesenwanger Bauern 1712 ablegten, als sie bei grassierender Pferdeseuche den Heiligen Willibald anriefen und sich mit ihm "verlobten". Danach hörte das Pferdesterben auf. Seitdem hat der Willibaldritt mit wenigen Ausnahmen jährlich stattgefunden.

Nach dem allgemeinen Segen durch Pfarrer Wolfgang Huber begann das spektakuläre Reiten durch 600 Jahre alte Kirche. "Das ist europaweit einmalig", schwärmte Organisator Schmid, der in der Funktion als Vorsitzender des Freundeskreises Willbaldritt zum zweiten Mal die Teilnehmer begrüßte. Vor der Kirche bekamen Reiter und Pferd von einem Seelsorger, der auf einem Holzpodest stand, noch ihren Einzelsegen. Dann durchquerten sie die 15 Meter breite Kirche auf einem drei Meter schmalen Gang in hinteren Teil der Kirche vor den letzten beiden Sitzreihen, auf denen sich auch Zuschauer niedergelassen hatten und den Reitern zuwinkten.

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SZ vom 06.07.2015
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