Jedermann im Bürgerstadel:Ausdrucksstark und einprägsam

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Regisseur Karl Arthur Reinshagen spielt bei der "Jedermann"-Aufführung des Theaterensembles "Jedermann Spielleut" den Tod (Mitte). Bartholomäus Sailer verkörpert den Jedermann, der dann doch gerne in den Himmel kommen möchte. (Foto: Johannes Simon)

Die "Jedermann-Spielleut" beeindrucken in Grafrath mit ihrer Darstellung des berühmten Stücks von Hugo von Hofmannsthal.

Von Manfred Amann, Grafrath

"Das letzte Hemd hat keine Taschen!" Dies ist eine der zentralen "Lehren", die zu verstehen und anzunehmen der "Ansager" den zahlreichen Besuchern vor der Aufführung des "Jedermann" im Grafrather Bürgerstadel ans Herz legt. Der Kulturverein Sankt Rasso hat die "Jedermann Spielleut" aus München "als besondere Zuckerl" verpflichtet. Anlass ist die Feier seiner Gründung vor 20 Jahren.

In der charakterstarken Interpretation des berühmten Schauspiels von Hugo von Hofmannsthal, das alljährlich bei den Salzburger Festspielen multimedial ausgeschlachtet wird, rückt Regisseur Karl Arthur Reinshagen noch eine weitere "Lehr" in den Vordergrund: "Zur Umkehr ist es im Leben nie zu spät, denn Gottes Barmherzigkeit ist unermesslich." Dass die Lehren eindringlich und einprägsam vermittelt werden, liegt insbesondere Bartholomäus Sailer, der den Jedermann in allen Situationen seines Lebens ausdrucksstark und meisterhaft verkörpert.

Für die Buhlschaft (Monika Sailer) will Jedermann noch einen Lustgarten erwerben. Doch auch sie lässt ihn schließlich im Stich. (Foto: Johannes Simon)

Wenn er zum Beispiel seinen Reichtum und damit verbunden auch seine Macht oder sein hartherziges und unnachgiebiges Verhalten gegenüber Bedürftigen oder Schuldnern rechtfertigt oder nach Bestätigungen seines Tuns und seiner selbst heischt, blickt er in die Reihen der Zuschauer. "Dadurch musste jedem der Anwesenden klar werden, warum der Mitbegründer der Salzburger Festspiele das bekannte Spiel vom Sterben des reichen Mannes und die Hauptperson in dem Stück Jedermann heißen. Weil jeder von uns etwas vom dem hat, was im Jedermann zum Ausdruck kommen soll", sagt eine Frau nach der zweistündigen Vorstellung zu ihrem Partner, worauf dieser mit "Das gibt ganz allgemein zu denken" antwortet.

Für die Vorstellung reichen auf der Bühne ein Sofa, ein Tisch und das Wandbild eines Schlosses, anhand dessen Jedermann erklärt, er habe eigentlich alles, was man sich wünschen könne. Nur einen Lustgarten mit einer prachtvollen Laube für seine Geliebte, die Buhl, will er noch erwerben. Als ihm das Geld dafür gebracht wird, kommt eine arme Frau und bittet Jedermann um die Hälfte der Dukaten, da dieser schließlich Schuld an ihrem elendigen Leben habe. Darüber kann der Reiche nur lachen - er weist sie zurück.

Ebenso ergeht es einer Familie, die ihre Schulden nicht mehr bezahlen kann. "Wer ein Haus baut und sich Geld dafür leiht, ist doch selbst schuld dran, wenn er in Not gerät" frotzelt Jedermann und wettert heftig dagegen, denen die Schuld zu geben, die es, wie er, "gedeckt durch Recht und Gesetz", zu etwas gebracht haben. "Wenn überhaupt jemand anders an seiner Lebenssituation schuld ist, als er selbst, dann ist es der Staat", lautet seine Erklärung. Als Jedermann mit seiner Verwandtschaft zu einem Festmahl zusammenkommt, schleicht, wie die sprichwörtliche Katze um den heißen Brei, der Tod herum.

Regisseur Reinshagen interpretiert den Tod als stolzen und unnachgiebigen Boten

Regisseur Reinshagen, schwarzer Frack und Zylinder, weißes Gesicht, interpretiert den Tod fabelhaft als stolzen und zugleich unnachgiebigen Boten Gottes, der Jedermann vor das Jüngste Gericht bringen muss. Eine Stunde Zeit gibt er dem Reichen noch, damit dieser sich seines Lebens auf Erden besinnen kann. In dieser Stunde erlebt Jedermann die schwerste Enttäuschung seines Lebens. Seine Verwandtschaft, seine Geliebte und selbst sein ihm stets treuer Geselle fallen von ihm ab und lassen den Verzweifelten in seiner Todesangst allein.

Dann lässt der Regisseur Jedermanns "Werke" als gedemütigte Frau wie eine Schlange auf die Bühne kriechen und als Reichtum erscheint ein in Gold gekleideter und mit Geschmeiden behängter Junge. Jedermann zerrt an ihm und will ihn mitnehmen, muss aber einsehen, dass er alles, was er in seinem Leben ansammelte, zurücklassen muss. Quasi in letzter Sekunde bekennt er sich zum Glauben an Gott und erfährt so Barmherzigkeit und Vergebung und wird in die Ewigkeit aufgenommen. Eine Stecknadel könnte man fallen hören, als der Tod seine Hand auf Jedermanns Herz drückt. Danach entlädt sich die Begeisterung der Zuschauer in langem, frenetischem Applaus.

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