Jahreszeiten:Frühling statt Winter

Kein Schnee, kein Frost - das tut den Menschen in vielen Berufen gut. Für die Natur könnte es aber gefährlich werden, wenn die Kälte doch noch kommt.

Landsberied / Germering: FRUEHLINGSWETTER - Winterimpressionen aus dem Landkreis

Winterimpressionen aus dem Landkreis

(Foto: Johannes Simon)

Über Monate hinweg hat es im Landkreis kaum geschneit, Frost ist weitgehend ausgeblieben. Die milden Temperaturen wecken längst Frühlingsgefühle denn Erinnerungen an die kalte Jahreszeit. Während Wintersportfreunde darüber stöhnen, kommt die Wärme der Natur und der Tierwelt zugute. Kritisch wird es erst, sollte nach dem milden Wetter im Frühjahr Frost einsetzen.

Der Wald

Dem Wald tut die milde Temperatur momentan nichts, nicht einmal Frostrisse in der Rinde habe es bislang gegeben, sagt Anita Ottmann. Sie ist in der Forstverwaltung beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) für das Forstrevier Fürstenfeldbruck zuständig. Ihr Gebiet umfasst die Gemeinden von Puchheim bis Althegnenberg und von Schöngeising nach Egenhofen. Viele Fichten stehen dort in Privat- wie in Staatswäldern. Dass es der Fichte bei durchschnittlich wärmerer Globaltemperatur ohnehin nicht sonderlich gut geht, sei bekannt, und nun drohe heuer noch mehr Gefahr durch Borkenkäfer. Ottmann rechnet damit, dass die Biester, die zum Tod der Fichten und damit zu einem wirtschaftlichen Schaden führen, ausschwärmen, wenn es mal mehr als drei Tage am Stück mehr als 16 Grad hat. "Die Waldbesitzer müssen besser aufpassen, auch wir werden ausrücken und nachschauen." Denn wenn Schädlinge wie Buchdrucker und Kupferstecher es sich einmal unter der Rinde bequem gemacht haben, hilft nur Umschneiden. Die wenigen wirklich kalten Tage haben laut Ottmann viele Schädlinge überleben lassen. Sollte noch ein Kälteeinbruch kommen, dürfte es den Bäumen nichts tun. Sie würden sich nach der Tageslänge richten: "Die wissen, wann sie ausschlagen müssen." Jüngere Kulturen könnten unter der geringen Niederschlagsmenge in diesem Winter leiden. Ottmann: "Momentan sehe ich da aber noch kein Problem."

Die Pollen

Mit dem Frühling beginnt es zu sprießen und zu blühen und die Pollen fliegen, zum Leidwesen der Allergiker. "Mich hat es auch schon erwischt", klagt Rudolf Summer, der Leiter des Gesundheitsamtes. Er reagiert auf die Frühblüher wie Haselnuss und Erle. Normalerweise sind diese Gewächse erst im März und April an der Reihe. Um das Niesen und Jucken in den Augen zu vermeiden gibt es zwei Strategien, erklärt der Mediziner: "Nicht ins Freie gehen und sich den Allergenen aussetzen und gleich am morgen Augentropfen und Nasenspray einsetzen." Wer stärker leidet, dem rät Summer zu einer Hyposensibilisierung mit Spritzen, die zu 70 Prozent Erfolg habe. Das Problem sei der "Etagenwandel", das heißt, dass es schlimmer wird und man irgendwann Asthma bekommt. "Eine Allergie bahnt der nächsten den Weg." Die Schleimhäute sind schon gereizt und offen für weitere Allergene- außerdem gehe der Heuschnupfen häufig mit Nahrungsmittelallergien vor allem auf Kernobst sowie trockener Haut und Neurodermitis einher. "Immer fett und feucht halten", rät Summer. Insgesamt seien etwa zehn Prozent der Bevölkerung von Allergien betroffen, Tendenz steigend.

Die Skischule

Richard Müller ist recht zufrieden mit der Saison. Der 58-jährige Leiter einer Skischule in Fürstenfeldbruck bietet mehrtägige Reisen und -kurse für Kinder an. "Wir hatten aber auch ganz schön Glück bei unserer Planung", gibt der 48-Jährige zu - denn die Skigebiete in Ost- und Südtirol und Garmisch haben "super Schnee". Also, genauer genommen, Kunstschnee. Denn ohne diesen "läuft in diesem Jahr gar nichts", erklärt Andrea Wettke. Seit mehr als zehn Jahren leitet die 48-Jährige nun die Skiabteilung des SV Germering, aber so einen Winter habe sie noch nie erlebt. Der ausbleibende Schnee macht es vor allem schwer, den Rennkalender des Vereins zu organisieren - Termine werden verschoben oder die Kinder können nicht in ihrer gewünschten Skidisziplin starten. Ähnlich wie Müller lobt sie aber die guten (Kunst-)Schneeverhältnisse in Tirol. Kunden oder Mitglieder haben sowohl der Verein und die Skischule aber nicht verloren. Aber ein wenig Risiko sei bei einer Outdoorsportart immer dabei.

Der Skilift

"Lawinengefahr hatten wir bisher keine", scherzt Dieter Schlederer, der seit 30 Jahren am "Filzberg" in Landsberied den einzigen Skilift im Landkreis betreibt. Hunderte von Kindern und Jugendlichen haben auf der Piste ihre ersten Ski-Versuche unternommen und sich nach der Abfahrt mit dem 210 Meter langen "Anfänger-Schlepplift" wieder auf die 30 Meter höher liegende "Bergstation" ziehen lassen. "Heuer scheint's, geht gar nichts, so hat mich Petrus noch nie im Stich gelassen", sagt der 75-Jährige, der dem Wetterapostel deswegen aber nicht zürnt, weil der Skilift für ihn "eher ein Hobby" ist. Er habe den Lift aufgebaut und die Pacht sowie die "nicht gerade billige Versicherung" bezahlt und warte nun, dass der Aufwand nicht ganz umsonst war. "In der Regel hatten wir wenigstens zwei, drei Wochen genügend Schnee", erzählt der Münchner, "diesmal aber fahre ich alle paar Tage raus, um die Maulwurfshügel einzuebnen, für den Fall, dass es doch noch was werden sollte".

Das Eiscafé

Alles wie immer, findet Nicola Maximilian, der Inhaber des Eiscafés Al Ponte in Fürstenfeldbruck. Das Geschäft hat, wie jedes Jahr, den ganzen Winter über geöffnet und bietet auch während der kalten Jahreszeit neben Gebäck und Kuchen täglich bis zu 13 Eissorten an. Das ist die abgespeckte Version der über 30 Sorten im Sommer. Der milde Winter habe sich bisher aber kaum aufs Geschäft ausgewirkt. Die Menschen kaufen genauso viel Eis wie in den Jahren zuvor auch. "Letzten Samstag, als es so warm war, haben wir ganz schön gearbeitet", fügt Maximilian noch hinzu. Bei frühlingshaften Temperaturen sei der Ansturm groß gewesen. Aber Tage wie diese waren bisher eher die Ausnahme.

Der Gartenbau

Für Alois Waltl und sein Team beginnt, dem milden Winter sei Dank, die Garten- und Landschaftsbau-Saison dieses Jahr schon früher als gewöhnlich. "Seit dem 7. Januar arbeiten wir schon wieder, wenn auch nur auf Abruf und mit kleinerer Mannschaft", erklärt der Inhaber der Gartengestaltung Waltl. Dieses Jahr habe er im Vergleich zum Vorjahr schon deutlich mehr erwirtschaften können. "In unserer Branche rechnet man regulär mit zwei Monaten Ausfallzeit. Da ist man natürlich um jeden Tag, den man früher zum Arbeiten anfangen kann, froh", erklärt Waltl, "denn die fixen Unkosten ziehen sich über das gesamte Jahr." Der Austrieb sei momentan schon besonders weit. Für das Geschäft sei das super, für die Pflanzen könne es trotzdem gefährlich werden. Nämlich dann, wenn der Frost dieses Jahr wirklich noch verspätet eintreffen sollte.

Der Bauhof

Thomas Schüßler trauert dem Winter keine Träne nach: "Wenn's nach mir ginge, könnte das auch in den nächsten 15 Jahren bis zu meiner Pensionierung so gehen", sagt der Leiter des Kreisbauhofs und lacht. Weniger Winter heißt weniger Schneefall heißt weniger Schneeräumen und streuen. 18 Personen kümmern sich beim Kreisbauhof um den Winterdienst. In Schichten eingeteilt, müssen sie natürlich - Schnee hin oder her - immer bereitstehen. Wenn die Straßen aber frei bleiben, können sie - abgesehen von den routinemäßigen Kontrollfahrten - auch anders eingesetzt werden. Sie sind ziemlich entspannt. Und so schaffte es der Bauhof nicht nur, den Salzeinsatz mit etwa 170 Tonnen im Vergleich zum Schnitt der beiden Vorjahre zu halbieren. Die Mitarbeiter erledigten zu den Arbeiten, die man sonst meistens vor sich her schieben muss: Bäume fällen, Grünflächen pflegen, Hecken schneiden sowie Gehwege und Plätze vor Schulen pflastern. Ein bisschen ärgert sich Schüßler nur darüber, dass man sich eine drei Wochen raubende Arbeit im November eigentlich hätte sparen können: Das Aufstellen von Schneefangzäunen. Nach der Faschingswoche werden die wieder eingesammelt, schließlich stehen die Landwirte schon in den Startlöchern.

Die Landwirtschaft

Johann Drexl schmerzt der ausbleibende Winter besonders. "Uns Bauern freut es, wenn es Frost gibt", sagt der Kreisobmann des Bauernverbands. Denn nur wenn der Frost etwa 50 Zentimeter tief in den Boden reicht, lockert er den Boden auf. "Die Fahrspuren, die wir im nassen Herbst auf den Äckern hinterlassen haben, bleiben andernfalls besehen. Der Boden ist dann so verdichtet, dass sich die Wurzeln nicht richtig ausbreiten können", erklärt Drexl. Außerdem bleibe das Wasser auf den Feldern stehen, da es nicht richtig versickern könne. Diesen Winter sei der Boden höchstens ein bis zwei Zentimeter tief gefroren gewesen. Für die Frühjahrsdüngung wäre der Frost ebenfalls von Vorteil. Denn durch ihn wären die jungen Pflanzen wesentlich unempfindlicher, wenn die Bauern mit ihren schweren Fahrzeugen den Acker bestellen. Der milde Winter bedeute außerdem einen hohen Schädlingsbefall. "2014 wird ein Borkenkäferjahr", sagt Drexl.

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