Jahresrückblick (5):Handball-Hype

TuS FFB

Halle in rot-weiß: Bis zu 1000 Fans feuern die Handballer an.

(Foto: Günther Reger)

Im Mai steht der TuS Fürstenfeldbruck als Absteiger aus der dritten Liga fest. Dann darf er nachträglichdoch drin bleiben. Was danach entsteht, ist eine Begeisterung, die es so noch nie gegeben hat

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Dieser Winkel. Eigentlich war es gar kein Winkel mehr, sondern fast schon eine Gerade, auf die Linksaußen Philipp Ball unmittelbar an der Torauslinie den Handball ins gegnerische Tor schickte. Weil's auch Tage später immer noch schön anzusehen ist, lassen Fürstenfeldbrucks Handballer die Szene seither in einem kleinen Video von ihrem letzten Heimspiel des Jahres mehrfach hintereinander auf ihrer Facebookseite ablaufen. Balls Tor ist irgendwie symptomatisch für den Lauf, den die Handballer des TuS Fürstenfeldbruck seit mehreren Monaten haben: Selbst scheinbar Unmögliches gelingt ihnen. Aus dem Team, das am Ende der Vorjahressaison zunächst abgestiegen war aus der dritten Liga, ist binnen weniger Monate ein Spitzenteam in Deutschlands dritthöchster Spielklasse geworden, das sich dort auf Platz zwei hochkatapultiert und einen regelrechten Handball-Hype in Fürstenfeldbruck ausgelöst hat.

Bis zu 1000 Zuschauer kommen in die Heimspielstätte Wittelsbacher Halle. Die lassen sich vom superschnellen Handballspiel der Brucker faszinieren, von ihrer unbändigen Einsatzbereitschaft und dem ausgeprägten Teamgeist. In einer Liga, die bisweilen auch bekannte Namen wie den ehemaligen Nationalspieler Jens Tiedtke (TV Großwallstadt) aufbietet, in der mit dem TV Großwallstadt und dem TV Hüttenberg zwei namhafte ehemalige Bundesligisten agieren und ambitionierte Klubs wie der HC Elbflorenz Dresden mit mehr als einer Million Euro kalkulieren können, setzt der TuS Fürstenfeldbruck schon allein mangels finanzieller Mittel auf ein gewisses Exotendasein mit jungen Talenten aus dem näheren Umkreis. Unter ähnlich bescheidenen Umständen waren sie schon 2006 und 2010 in die dritte Liga auf-, aber auch sofort wieder abgestiegen.

Diesmal ist es anders, obwohl es ähnlich begonnen hatte. Ende Mai sollte der TuS die dritte Liga erneut nach nur einer Spielzeit wieder verlassen. Der Gemeinschaftsurlaub auf Mallorca war schon gebucht, als die Mannschaft der Ruf zu einem Relegationsturnier in der sachsen-anhaltinischen Stadt Köthen ereilte. Dort qualifizierten sie sich nachträglich doch noch für die dritte Liga, eingeteilt wurden sie fortan erstmals in die Ost-Staffel mit neuen Gegnern aus Hessen, Thüringen und Sachsen. Das bedeutete ansehnliche 12 000 Reisekilometer für die anstehenden Monate zwischen September 2015 und April 2016, doch mit jedem Sieg in der neuen Spielzeit fielen die weiten Fahrten leichter. Schon zur Saisonhalbzeit hatten sie nun genauso viele Punkte gesammelt wie in der ganzen Vorjahressaison. Der Klassenerhalt galt damit schon vor Weihnachten als gesichert.

So ein Erfolg schafft Neugier. Handball freunde aus dem ganzen Großraum München kommen nach Fürstenfeldbruck und auch solche, die zuvor noch nie ein Handballspiel live gesehen haben. Sogar Weltmeister Dominik Klein vom deutschen Dauer-Meister THW Kiel hatte sich im Oktober ein Spiel der Brucker angeschaut. Ein Heimspielabend wird jedes Mal als regelrechtes Spektakel inszeniert, mit dem Einlaufen der Spieler unter Spotlicht und künstlichem Nebel, mit Fahnenmeer und Fan-Choreografien. So was kommt an. Eine Trommelgruppe und die Zuschauer mit ihren Klatschpappen machen ordentlich Radau, jedes Tor wird von einem Musikjingle begleitet. Das Sommermärchen vom nachträglichen Klassenerhalt ist nahtlos in ein Wintermärchen übergegangen.

Während sie angesichts der um sich greifenden Begeisterung schon von der "Handballstadt Fürstenfeldbruck" sprechen, werden die etwa 1000 Zuschauer, die sich regelmäßig zu den Heimspielen des noch immer unbesiegten hessischen Drittliga-Spitzenreiters Hüttenberg einfinden, dort indes nicht als sonderlich imposante Kulisse empfunden. So unterschiedlich können die Wahrnehmungen sein - selbst zwischen einem Tabellenersten und einem Tabellenzweiten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: