Süddeutsche Zeitung

Jahreskalender (2):Fensterln, Räuchern, Ochsenrennen

Traditionen aus der Region - ein Fotokalender

Von  Manfred Amann

"Wie's in Grafrath der Brauch war": Unter diesem Titel hat Ortsarchivarin Christel Hiltmann auch heuer wieder einen Kalender aufgelegt. Da einige Bräuche die Zeit überdauert haben und auch heute noch zum Jahreslauf des Dorfes gehören, könnte man noch anfügen: "Und teils immer noch ist". Ganz aus der Mode gekommen sein dürfte das "Fensterln", das im März darauf hinweist, dass früher auch in Grafrath Burschen, womöglich getrieben von "Frühlingsgefühlen", den Weg zum Madl übers Kammerfenster suchten. Selten geworden sein dürfte auch die Hausweihe durch Ausräuchern. Das Januar-Bild zeigt einen Hausherrn mit einer Weihepfanne. Wie auf jedem Kalenderblatt hat Hiltmann auch hier dazu geschrieben, was es im jeweiligen Monat noch an Bräuchen gab, welchen Ursprung sie haben und was man bezwecken wollte. Der Februar erinnert mit Foto an frühere Ochsenrennen, im Text an die einst beliebten Maschkera-Rennen und wie man Fasching feierte.

Im April war das Eierscheiben oder "Oawoigln" eine beliebte Beschäftigung im Freien. Dass den Monat darauf das Maibaumaufstellen eine Gaudi für das ganze Dorf war, versteht sich ebenso wie die Beliebtheit des Sonnwendfeuers im Juni, das auf einem Foto den Sprung übers Feuer dokumentiert. An das vom Heimat- und Trachtenverein 1953 erstmals organisierte Almfest erinnert der Juli, im August steht das Binden von Kräuterbuschen beim Brauchtum ganz oben. Das Septemberblatt schmückt ein Foto von einem Erntedankwagen, mit dem die Familie Reininghaus aus Mauern 1925 an der Leonhardifahrt in Fürstenfeldbruck teilnahm. Der Oktober erinnert an den früheren Gebrauch von Totenbrettern, und auf dem Novemberblatt zeigt eine Abbildung Schulkinder beim Basteln von Luzienhäuschen. Wie in der Kreisstadt schwimmen sie am Luzienabend in der Amper, um Luzia um den Schutz vor Hochwasser zu bitten.

Seit 1952 gibt es den Brauch auch in Grafrath, der nach der Segnung mit einer Prozession zum Fluss mit den beleuchteten Häuschen beginnt. Im Advent seien nach altem Volksglauben die Geister los, sagt Hiltmann und erklärt, dass die Unholde mit dem jährlichen "Christkindl-Anschießen" verscheucht werden sollen. Archivarin Hiltmann hofft, dass die Kalender für zehn Euro auch heuer wieder begehrt sind. "Da wegen Corona der Weihnachtsmarkt ausfällt, fehlt eine bislang wichtige Verkaufsmöglichkeit", sagt sie, und bittet, ihn im Rathaus (Telefon 08144-93040) oder bei ihr selbst (08144-410) zu bestellen und dann abzuholen.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2020
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