56 Jahre nach dem Absturz von Richard Higgins:Das Vermächtnis der Tree Movers

Der Veteranenverein der Kameraden des mutigen US-Piloten hat sich aufgelöst und vermacht der Richard-Higgins-Schule einen Teil seines Vermögens.

Von Stefan Salger

Dieser Tag gehört zur Geschichte Fürstenfeldbrucks. Und weil ein amerikanischer Pilot damals in den fünfziger Jahren möglicherweise viele Menschenleben in der Stadt rettete und dafür sogar sein eigenes Leben opferte, steht am Donnerstagvormittag Oberstleutnant a. D. Peter Karsch in der Aula der Richard-Higgins-Volksschule und überbringt den Schülern die Botschaft der Tree Movers.

Scheck für Higgins-Schule

´Two thousand fifty Dollars and no cents': Oberstleutnant Peter Karsch, Schulleiterin Tanja Stock und Oberbürgermeister Sepp Kellerer (von links) mit dem Scheck der US-Veteranen und einer Urkunde für die langjährige Freundschaft.

(Foto: Günther Reger)

Am 5. April 1957, einem Freitag, startet der US-Pilot Richard Higgins das Triebwerk seines Kampfflugzeugs vom Typ Republic F-84 F "Thunderstreak". Nach einem Werkstattbesuch soll er testen, ob die Luftwaffenmaschine, die erst 103 Flugstunden auf dem Buckel hat, wieder voll einsatzbereit ist. Eigentlich war ein anderer Pilot eingeteilt. Der 34-Jährige springt dann aber kurzfristig ein. Mit seiner Frau und den drei Kindern - der jüngste Sohn ist ein Jahr zuvor in Bruck zur Welt gekommen - wohnt der Angehörige der 7330. Flying Training Wing seit etwas mehr als einem Jahr im Sternbau Nummer 120, der heute an der Günther-von-Maltzahn-Straße 3 liegt.

Es ist 10.49 Uhr. Die Sonne über "Fursty" - wie die Amerikaner den Fliegerhorst nennen - scheint, die Temperaturen sind frühlingshaft. Kurz nach dem Start gibt es Probleme. Augenzeugen berichteten von einer Rauchfahne hinter dem Flugzeug und ungewöhnlichen Geräuschen. Für einen Startabbruch aber ist es zu spät. In einem leichten Steigflug zieht der sehr erfahrene Pilot die Maschine in einer Rechtskurve nach Süden. Er will zurück zur Landebahn zehn.

300 Meter über der Klosterkirche wird ihm klar, dass er das wohl nicht schaffen wird. Die F-84 F sinkt unaufhaltsam, Flammen schlagen aus dem Abgasrohr. Vom Tower wird Higgins aufgefordert, seinen Schleudersitz zu betätigen. Weil dies aber bedeuten würde, dass der Düsenjäger mitten in die Stadt stürzt, verweigert Higgings den Befehl. Er steuert die Maschine über den westlichen Ortsrand - über die "Pulverturmwiese" in der Rothschwaige, zwischen Kieswerkstraße und Bundesstraße 471.

Erst dort springt er ab. Weil sich das Flugzeug aber nur noch 80 Meter über dem Boden befindet, öffnet sich der Fallschirm nicht mehr vollständig. Higgins schlägt auf den Boden auf und kommt dabei ums Leben. Der ganze Flug hat nur zwei Minuten und achtzehn Sekunden gedauert. Unfallursache ist, wie sich später herausstellen wird, das Abbrechen mehrere Leitschaufeln im Triebwerk aufgrund von Materialermüdung.

Brucks Oberbürgermeister Sepp Kellerer, der am Donnerstag ebenfalls in die Aula gekommen ist, erinnert sich noch gut. Der damals Elfjährige hatte einen "Riesenknall" gehört und war vom nahen Aich aus gleich mit dem Fahrrad zur Absturzstelle gefahren. Die wurde sehr schnell von Militärpolizisten abgesperrt.

"Richard Higgins hat das größte denkbare Opfer gebracht", lobt Rektorin Tanja Stock, deren Schule 2002 nach dem US-Piloten benannt worden ist - ebenso wie eine Straße und ein Gebäude auf dem Fliegerhorst. "Das ist ja ein wahrer Held", sagt eine Schülerin in einem Theaterstück, das von den Klassen 2a und 2c aufgeführt wird. In die Aula gekommen sind Karsch und Kellerer an diesem Tag aber nicht nur, um den Schülern die damaligen Ereignisse nochmals vor Augen zu führen. Vielmehr überreicht Karsch der Rektorin einen Cashier's Chek, also einen amerikanischen Scheck. 2050 Dollar sollen für schulische Zwecke eingesetzt werden.

Das Geld stammt von den Tree Movers, einem Verein von US-Veteranen und ehemaligen Kameraden von Higgins, die früher in Fursty stationiert waren und sich auch noch nach dem Abzug aus dem Fliegerhorst im Herbst 1957 regelmäßig trafen. Alle fünf Jahre reiste eine Abordnung nach Fürstenfeldbruck und wurde dort im Fliegerhorst und auch im Rathaus empfangen. 2003 besuchten sie dann auch die Richard-Higgins-Volksschule. 2010 waren sie das letzte Mal in der Kreisstadt. Eine "tolle Truppe" sei das gewesen, sagt Karsch, der seit 1996 den Kontakt gehalten hatte.

Weil die zehn bis 15 noch lebenden Veteranen mittlerweile aber alle weit jenseits der 80 sind, entschlossen sie sich in diesem Jahr, den Verein aufzulösen und die Hälfte des Vereinsvermögens an die Brucker Schule zu spenden. Der 74 Jahre alte Peter Karsch, der selbst 13 Jahre lang Pilot, Staffelkapitän und Offiziersausbilder in Fürstenfeldbruck war und heute in Eichenau lebt, erklärte auch, wie die Fursty Tree Movers Association zu ihrem Namen kamen. Die seien auf den Straßen rund um Fursty das eine oder andere Mal zu schnell unterwegs gewesen und hätten manch chromblitzenden US-Straßenkreuzer an einen Baum gesetzt. Deshalb hätten sie sich gegenseitig scherzhaft als Tree Movers, also "Baumverschieber" bezeichnet.

Um die Erinnerung an Richard Higgins wach zu halten, will sich Kellerer dafür einsetzen, dass an der Absturzstelle im Brucker Westen ein Marterl oder Gedenkstein aufgestellt wird - möglichst bereits bis zum kommenden April. Nahe dem Rothschwaiger Forst soll ohnehin ein Wegenetz angelegt werden, in das sich ein solcher Ort gut einfügen würde, so Kellerer. Die Schüler der Richard-Higgins-Volksschule sollen an dem Projekt beteiligt werden.

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